Aus dem Archiv: Serie „Wir bleiben in Kontakt“

Kirche in der Pandemie

Für alle, die in Diakonie, Bildung und Beratung arbeiten, und es gewohnt waren, Klient*innen, Kursteilnehmende und Ratsuchende meist von Angesicht zu Angesicht zu treffen, stellte die Pandemie den Arbeitsalltag auf den Kopf. Trotz widriger Bedingungen blieben Seelsorger*innen, Sozialarbeiter*innen, Kursleiter*innen, Musiker*innen und viele mehr am Ball. Wie – das zeigen die exemplarischen Statements unserer Reihe „Wir bleiben in Kontakt“. Hier gehört den Praktiker*innen aus Seelsorge und Beratung, Bildung und Diakonie das Wort. Die Statements werden in loser Folge auf hier kirche-muelheim.de und auf unserem Facebook-Kanal veröffentlicht. Ein Auszug aus der Serie wurde im Jahrbuch 2021 der Stadt Mülheim veröffentlicht: https://www.muelheim-ruhr.de/cms/jahrbuch_2021.html.

Innerhalb weniger Wochen haben Mitarbeitende in Kirchengemeinden und kirchlichen Einrichtungen sich neu aufgestellt: Es gab Andachten „to go“, Beratungen und Kursstunden wurden per Videokonferenz abgehalten oder einfach öfter zum Telefon gegriffen, um mit Menschen im Gespräch zu bleiben. Große Veranstaltungen müssen immer noch ausfallen, auch auf Gottesdienste haben die Gemeinden während des Lockdowns verzichtet. Umso mehr findet die kirchliche Arbeit im Kleinen statt. In der Coronazeit haben viele Menschen in Kirche und Diakonie Flexibilität, Einfallsreichtum und Beharrlichkeit bewiesen, um in vielen kleinen Schritten zu zeigen: Wir bleiben dran, wir bleiben in Kontakt.

Die Serie umfasst Statements von: Volker Rohse  (Ev. Beratungsstelle), Andrea Krause  (Ambulante Gefährdetenhilfe im Diakonischen Werk), Ina Kriege-Egert (Jugendleiterin Kgm. Heißen), Alwina Fast (Leiterin Integrationsangebote des Diakonischen Werks), Pfarrerin Dagmar Tietsch-Lipski (Lukaskgm.), Ute Lass (Ev. Ladenkirche), Margret Busse (Leiterin Ambulatorium des Diakonischen Werkes), Michael John (Leiter Schulprojekte im Diakonischen Werk), Inga-Dorothea Schlemmer (Ev. Familienbildungsstätte) und Kreiskantor Detlef Hilder .

Sind wir zum Ende des Jahres 2020 noch im Pandemie-Ausnahmezustand oder schon in einer „neuen Normalität“? – Die Praktiker*innen in der evangelischen Kirche zerbrechen sich darüber nicht den Kopf, sie haben sich ganz pragmatisch auf das Leben und Arbeiten mit Corona eingestellt. Vieles, was zuvor lange und gründlich diskutiert wurde, ist seit in diesem Pandemie-Jahr ganz schnell in die Tat umgesetzt: Zum „Abendmahl zum Feierabend“ treffen sich Interessierte auf der Onlineplattform Zoom, beim Segen im Einschulungsgottesdienst „leihen“ segnende Eltern dem Pfarrer ihre Hände. „Geht das überhaupt?“, mag manch einer fragen. Die Rückmeldungen zeigen: Es geht oft besser als gedacht. Viele Menschen nehmen die Angebote, die (wieder) möglich sind, umso dankbarer an, und freuen sich über den Kontakt.

 

Volker Rohse
Volker Rohse

Volker Rohse, Ev. Beratungsstelle:

„Die Menschen suchen weiterhin den direkten Kontakt zu uns, seit es nach der ersten akuten Phase der Coronakrise wieder möglich ist. Im persönlichen Gespräch ist zum Beispiel die „Landkarte der Befindlichkeit“ auf dem Foto ein gute Möglichkeit, innezuhalten und zu schauen, wo man gerade steht und wo es hingehen soll. Die meisten Ratsuchenden fragen uns an, wenn es um Probleme bei der Erziehung oder in der Familie geht. Die letzten Monate waren gerade für Familien eine enorme Herausforderung, die Ihnen viel abverlangt hat. Während des Lockdowns haben wir unsere Angebote flexibler ausgerichtet, um zusätzliche Alternativen zum Face-to-Face-Kontakt anzubieten. Teilweise haben wir das beibehalten, so ist auch jetzt eine individuelle Beratung per Telefon oder Video weiter möglich. Auch Informationsabende für Eltern werden wir jetzt teils per Zoom anbieten.“

Kontakt: Telefon 32014 oder beratungsstelle@kirche-muelheim.de

Andrea Krause
Andrea Krause (Foto: Julia Blättgen, DW)

Andrea Krause, Leiterin der Ambulanten Gefährdetenhilfe (Wohnungslosenhilfe) des Diakonischen Werkes

Die Ambulante Gefährdetenhilfe bietet wohnungslosen, von Wohnungslosigkeit bedrohten oder anderweitig in Not geratenen Menschen Beratung, Unterstützung und Hilfe an. Dieses Angebot konnten wir während der gesamten Zeit der Corona-Pandemie aufrechterhalten – nur unser Tagesaufenthalt „Teestube“ musste während des Lockdowns geschlossen werden. Doch zugleich haben wir unsere Angebote auf die neue Situation eingestellt: So konnten wir durch eine Spende der Aktion Mensch ein neues Verpflegungsangebot für die von uns betreuten Menschen einrichten. Wir gehen verstärkt zu den Menschen, die unsere Einrichtung aus Sorge nicht aufsuchen möchten. Vieles ist durch Corona komplizierter geworden und schwieriger zu regeln. Es ist viel Kreativität für individuelle Lösungen erforderlich. Doch das nehmen wir gerne in Kauf, weil wir wissen, wie wichtig es vor allem in einer so schwierigen Zeit ist, für unsere Klient(inn)en da zu sein. Dafür zeigen sie für die Umsetzung der in der Einrichtung geltenden Hygieneregeln überwiegend gerne Verständnis.

Kontakt: Telefon: 0208. 30245-0 oder agh@diakonie-muelheim.de

 

 

Ina Kriege-Egert
Ina Kriege-Egert

Ina Kriege-Egert, Jugendleiterin Ev. Kirchengemeinde Heißen

„Die letzten Monaten haben mir viele neue Technikkenntnisse beschert: YouTube, Discord-Server, Zoom – erst Neuland und jetzt schon ganz vertraut. Anfangs konnten sich unsere Kinder- und Jugendgruppen ja nicht mehr persönlich treffen. Dann sind wir aber schnell auf die digitalen Kanäle ausgewichen: Es gab eine „Kinderbibelwoche @home“, die ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen haben Mitmachangebote auf unsere Homepage gestellt: Da gab es viele Bastelanleitungen zum Nachmachen oder Rätsel zu lösen. Eine Mädchengruppe hat begonnen, sich auf Zoom zu treffen und unsere Mitarbeiter*innenmeetings laufen per Discord-Server. Seit Pfingsten öffnen wir das Gemeindehaus wieder vorsichtig für Gruppen. Zuerst hatte ich befürchtet, dass ich in der Rolle der „Regelwächterin“ lande, und ständig Masken und Abstand kontrollieren müsste. Doch es kam ganz anders: Die Kinder und Jugendlichen sind darin perfekt geübt und halten die Regeln meist freiwillig ein. Obendrein habe ich das Gefühl, dass unsere Angebote seit der Coronazeit noch dankbarer angenommen werden. Und nicht zuletzt ist es auch schön, das Feedback von den jungen Leuten jetzt wieder ganz direkt und persönlich zu bekommen.“

Kontakt: www.jugend-muelheim.de (evangelische Jugendangebote in ganz Mülheim)

 

Alwina Fast
Alwina Fast (Foto: Julia Blättgen, DW)

Alwina Fast, Leiterin der Abteilung „Soziale Dienste 2 – Integration“ des Diakonischen Werkes

Als wir am 16. März 2020 unsere Integrationsfachschule, an der zu diesem Zeitpunkt 390 Teilnehmende in 20 Sprachkursen Deutsch gelernt haben, schließen mussten, haben wir schnell nach Möglichkeiten gesucht, um den Unterricht fortführen zu können – denn Sprache muss man üben und sprechen, sonst verlernt man sie. Wir haben daher kurzfristig Angebote im digitalen Lernen organisiert. Unsere Schülerinnen und Schüler waren dafür unheimlich dankbar, denn sie wollten lernen und die Corona-Zeit sinnvoll nutzen. Das digitale Lernen war zu Beginn eine große Herausforderung, aber es hat das Miteinander auch gestärkt. Es hat sich gezeigt, dass digitale Lernangebote eine echte Bereicherung sein können und wir werden sie als ergänzendes Angebot in jedem Fall fortführen und ausbauen. Inzwischen sind die Sprachkurse wieder als Präsenzunterricht angelaufen und wir dürfen persönliche Beratungsgespräche führen, denn auch unser Jugendmigrationsdienst musste seine Beratungssituationen während des Lockdowns kreativ gestalten. Wir sind froh, wieder persönlichen Kontakt zu unseren Teilnehmenden und Ratsuchenden haben zu können, denn der ist unverzichtbar.

Kontakt: 0208 – 3003 275 oder integration@diakonie-muelheim.de

 

 

Pdfarrerin Dagmar Tietsch-Lipski (Foto: Walter Schernstein)
Pfarrerin Dagmar Tietsch-Lipski (Foto: Walter Schernstein)

Pfarrerin Dagmar Tietsch-Lipski, Lukaskirchengemeinde

Social Distancing hat auch die Seelsorge verändert. Bis vor einigen Monaten habe ich Menschen im Gespräch manchmal die Hand auf die Schulter gelegt, einige auch spontan in den Arm genommen. Das kommt nicht bei jedem Kontakt vor, aber es kann ein guter Weg sein, zu zeigen, dass man für jemanden da ist. Übrigens betrifft mich das nicht nur als Seelsorgerin, sondern im ganzen Leben, auch privat merke ich, dass es mir fehlt, meine Nächsten zu umarmen. Gespräche mit Gemeindemitgliedern gibt es natürlich nach wie vor, zurzeit passiert das häufiger am Telefon als früher. Viele Ältere kommen nicht mehr so viel raus und sagen am Telefon traurig „Ich hab ja nichts mehr zu erzählen“. Wir versuchen in der Gemeinde dennoch aktiv den Kontakt zu halten und natürlich kann man uns auch anrufen.

Kontakt: alle Telefonnummern der Mülheimer Gemeindepfarrerinnen findet man unter www.gemeindesuche.kirche-muelheim.de

Ute Lass
Ute Lass

Ute Lass, Evangelische Ladenkirche

Wir merken, dass Einige noch Bedenken haben, sich wieder in der Öffentlichkeit zu bewegen. Andere genießen es aber, wieder rauszugehen, und die freuen sich, dass man in der Ladenkirche auch spontan einmal vorbeischauen kann und einen Gesprächspartner findet. Wir sind zu eingeschränkten, aber regelmäßigen Öffnungszeiten wieder da. Wer Lust hat, kann zum Beispiel bei Veranstaltungen unserer neuen Themenreihe „Nachhaltig leben“ einmal reinschauen.

Öffnungszeiten: montags bis mittwochs, 10 bis 14 Uhr, donnerstags und freitags 13 bis 17 Uhr, Telefon 3056731

 

Margret Busse
Margret Busse (Foto: Julia Blättgen, DW)

Margret Busse, Leiterin des Ambulatoriums des Diakonischen Werkes

Das Ambulatorium ist die Suchtberatungs- und behandlungsstelle des Diakonischen Werkes. Die Beratung richtet sich an Betroffene, Angehörige und das weitere Umfeld der Ratsuchenden mit Alkohol-, Medikamentenabhängigkeit, Konsumierende von Substanzen wie Cannabis, Kokain und an Betroffene mit pathologischer Glücksspielsucht. Die Corona-Krise hat uns und die von uns betreuten Menschen sehr getroffen. In der ersten Zeit durften wir keine persönlichen Beratungs- und Therapiegespräche führen. Neben telefonischer Beratung haben wir deshalb schnell auf Videochats umgestellt, doch die Praxis hat gezeigt, dass dies den direkten Kontakt nicht ersetzen kann. Wir sind froh, dass wir inzwischen wieder persönliche Einzel- und auch Gruppengespräche unter Einbehaltung der Hygiene- und Abstandsvorgaben anbieten können. Die Nachwirkungen des Lockdowns, der unserer Klientel ihre Tagesstruktur, wichtige Routinen und soziale Kontakte genommen hat, zeigen sich erst jetzt: Die Zahl der Rückfälle unter den von uns betreuten Menschen ist zuletzt merklich gestiegen.

Kontakt: Telefon: 0208.3003-223 oder ambulatorium@diakonie-muelheim.de

 

Michael John
Michael John (Foto: Julia Blättgen, DW)

Michael John, Leiter Abteilung Soziales Dienste 3 – Schulprojekte

Das Diakonische Werk ist Träger vielfältiger Schulprojekte, wie der OGS, der Schule von acht bis eins, der Ganztagsoffensive und der Schulsozialarbeit. Insgesamt betreuen die Fachkräfte der Mülheimer Diakonie rund 1.800 Kinder an Grund- und weiterführenden Schulen, unterbreiten Bildungs- und freizeitpädagogische Angebote und übernehmen damit systemrelevante Aufgaben.
Die Schließung aller Schulen – hier der sogenannte Lockdown – nach Bekanntgabe durch das Land NRW am 13.03.2020 hat uns genauso überrollt wie die betroffenen Familien. In den folgenden Wochen haben wir uns gemeinsam im engen Schulterschluss mit den Schulen auf die sich sehr schnell veränderten Betreuungssettings einstellen müssen. So konnten wir zunächst nur Kinder und Jugendliche betreuen, deren Eltern in systemrelevanten Berufen tätig sind. Viele Angebote, die wir im Alltag als so selbstverständlich wahrgenommen haben – wie das tägliche Mittagessen in der Schule – brach von jetzt auf gleich weg. Besonders die ersten Wochen des Lockdowns waren für uns eine große Herausforderung, doch ist bis heute eine hohe Flexibilität nötig, um Abstands- und Hygienevorschriften mit unseren pädagogischen Standards in Einklang zu bringen.

Kontakt: Telefon 0208.3003-213 oder asd@diakonie-muelheim.de

 

 

Teamfoto FBS
von links: Inga Dorothea Schlemmer, Leiterin, Annika Hinrichsen, Anastasia Deev, Ulrike Damberger (Foto: Walter Schernstein)

 

Inga Dorothea Schlemmer, Evangelische Familienbildungsstätte

„Unsere Kurse laufen wieder an, wegen Corona natürlich mit Hygienekonzept und angepassten Teilnehmendenzahlen. Wir merken, dass vielen der soziale Kontakt gefehlt hat. Unsere Teilnehmenden kommen natürlich, weil sie sich für die Kursinhalte interessieren, aber nicht nur deswegen. Auch der Austausch und der regelmäßige Termin in der Woche sind darüber hinaus wichtig. Dazu bieten wir gerne den nötigen Raum. Jetzt kann man sich noch für viele Kurse im zweiten Semester 2020 anmelden.“

Kontakt: Telefon 3003-333 oder www.evfamilienbildung.de.

 

 

Detlef Hilder
Detlef Hilder

 

Detlef Hilder, Kreiskantor und Kirchenmusiker in den Gemeinden Links der Ruhr

„Wir singen wieder – und proben gerade sogar mehr als zuvor. Das liegt daran, dass wir die Chöre in kleinere Gruppen aufteilen mussten, damit alle mit ausreichend Abstand verteilt im Kirchenschiff proben können. In einer großen Kirche wie der in Broich funktioniert das zum Glück ganz gut. Gemeindegesang zu Weihnachten werden wir dieses Jahr wohl leider nicht erleben. Dafür werden die Gottesdienste schon jetzt ganz anders musikalisch bereichert. Die Chorsänger*innen treten in unterschiedlicher Zusammensetzung als kleine Vokalensembles auf. Das ist ziemlich spannend, so erleben die Gottesdienstbesucher*innen eine ganz neue Vielfalt.“

Kontakt: www.kimu.kirche-muelheim.de