Gleich zwei ihrer Bücher hatte Sarah Vecera bei ihrer Lesung im Mülheimer Haus der Evangelischen Kirche (Altenhof) im Gepäck. Ihren bekannten Titel „Wie ist Jesus weiß geworden“ (2022), in dem sie von ihrem „Traum von einer Kirche ohne Rassismus“ schreibt, und außerdem die aktuelle Neuerscheinung von April, den Sammelband „Gemeinsam anders“, in dem verschiedene Autorinnen zu Wort kommen, die aus der – vermeintlichen – sozialen Norm fallen.
Beide Bücher sind geprägt von eigenen Erfahrungen ebenso wie vom Wunsch, die Welt etwas gerechter zu gestalten. Sarah Vecera: „Ich erlebe das, wenn ich mit meinem Vater hier unterwegs bin. Er kommt aus Pakistan. Wie oft passiert es, dass immer wieder ich neben ihm angesprochen werde, die ich muttersprachlich deutsch spreche. Er bekommt so einfach nicht den Raum, den er bekommen könnte.“ Erlebnisse wie dieses sind Triebfeder für sie als Autorin.

Nicht immer bleibt es beim Übersehen-Werden. Nach Lesungen von „Wie ist Jesus weiß geworden“ hat Sarah Vecera mehrfach angedrohte und versuchte Gewalt erlebt. „Mein Leben und mein Sicherheitsgefühl haben sich dadurch verändert“, berichtet die Autorin, hauptberuflich Bildungsreferentin bei der Vereinten Evangelischen Mission (VEM). Deshalb sind auch bei der Mülheimer Lesung im Haus der Evangelischen Kirche zwei Security-Kräfte zugegen. „Ohne dies erlaubt meine Arbeitgeberin die Veranstaltungen nicht mehr“, erklärt die Autorin.
In „Wie ist Jesus weiß geworden“, erzählt Sarah Vecera von ihrer eigenen Geschichte, etwa vom Aufwachsen bei den Großeltern in Oberhausen. „Ich war in der landeskirchlichen Kirchengemeinde dort die Einzige, die so aussah wie ich. Diejenigen, die so aussahen wie ich, für die wurde entweder gespendet und gebetet. Fragen taten sich schon damals bei mir auf, obwohl ich das Wort ,Rasissmus‘ noch nicht kannte.“
Lesung und Gespräch im Altenhof bleiben immer nah am Erlebten von Autorin und Zuhörenden, ein religionshistorisches Seminar ist das nicht. Dennoch hält Vecera die Basics fest: „An der Verbreitung von Rassismus hat Kirche kräftig mitgewirkt.“ In der Kolonialzeit ging es ebenso wie im Nationalsozialismus um die Festigung von Machtansprüchen. „Das Bild vom weißen Jesus war ein globales Projekt“, so Vecera. Und man sehe es heute noch an Orten wie in Indonesien, wo ein Bild des weißen Jesus mit brennendem Herzen sehr populär sei.
Eine Historie, die sich bis in heutige Kinderzimmer fortschreibt, wie Sarah Vecera schildert. Sie berichtet von ihrer kleinen Tochter, die die hellhäutigen und blonden Heldinnen ihrer Kinderbücher idealisiert. Und sich Gott natürlich als alten -weißen- Mann vorstellt. „Von mir hat sie das nicht“, hält die Mutter fest. Beim Blick auf das eigene Bücherregal musste sie aber feststellen, dass es eine Kinderbibel mit passenden Identifikationsfiguren nicht gab. „Und wir haben doch Verantwortung dafür, mit welchen Materialien wir unsere Kinder umgeben. Was macht das denn mit Kindern, wenn sie nur problematisiert dargestellt werden – seien sie schwarz oder übergewichtig oder behindert“. Da lag die Idee zur Rassismus- und Diversitätssensiblen „Alle-Kinder-Bibel “ nicht mehr fern, Sarah Vecera steuerte ein Vorwort bei.

Nicht nur Bilder, sondern auch Sprache prägt das Denken. Darauf gingen einige Zuhörerinnen und Zuhörer in ihren Fragen ein, schilderten eigene Unsicherheiten und auch das Gefühl „ja gar nichts mehr sagen zu dürfen“. „Es ist wichtig auf Sprache zu achten und darauf, Worte zu finden, die nicht verletzend sind. Damit ist man nie fertig, das ist immer ein Prozess“, ging die Autorin darauf ein. „Ich habe mich auch eben als Mensch mit Migrationshintergrund vorgestellt. Bin aber hier geboren. Auch die Bezeichnung ,farbige Menschen‘ ist durch den Gebrauch in NS- und Kolonialzeit historisch belastet. Ich versuche es mit ,Menschen of Colour‘. ,People of Colour klingt vielen zu englisch, ich deutsche das ein bisschen ein.“ Wichtig sei letztlich der Wille zur Verständigung, betonte Vecera, es sei wenig hilfreich, jemanden zu beschämen, der vermeintlich etwas „Falsches“ gesagt habe.
Nicht zuletzt sei es an der Kirche, zur Verständigung beizutragen, Gesprächsräume bereitzustellen, in denen niemand beschämt werde. Scham, Schuld und Trauma machten Vielen diese Verständigung schwer. Vecera: „Antirassismusarbeit ist eine Seelsorgeaufgabe.“
Sarah Vecera ist stellvertretende Leiterin der Abteilung Deutschland der Vereinten Evangelischen Mission (VEM) und Bildungsreferentin mit dem Schwerpunkt »Rassismus und Kirche«. Sie lebt in Essen. Auf Instagram postet sie regemäßig als @moyo.me und ist Co-Host des Podcasts „Stachel und Herz“ .
Ökumene-Reihe „Es gibt doch eh nur einen Gott“
Die Lesung ist Teil der Themenreihe zur Ökumene „Es gibt doch eh nur einen Gott“. – Wie können die kleiner werdenden Kirchen gemeinsam öffentlich auftreten? Wie gemeinsam mit anderen Religionen nach Friedenspotenzialen suchen? Welchen Sinn macht es, die Differenzen in den Vordergrund zu stellen, wenn doch viele Gläubige sagen „Es gibt doch eh nur einen Gott“? Um diese Fragen geht es in der Veranstaltungsreihe, zu der der Evangelische Kirchenkreis An der Ruhr 2025 einlädt.
Weitere Termine:
- Samstag, 27. September, 19 Uhr, Konzert mit Eddi Hüneke (Ex Wise Guys) und Tobi Hebbelmann
- Freitag, 24. Oktober, 19 Uhr, Konzert mit 2 Flügel (Christina Brudereck und Ben Seipel)
Vergangene Veranstaltungen:
- Donnerstag, 20. März, 19.30 Uhr, Vortrag Prof. Dr. Mouhanad Khorchide
- Donnerstag, 10. April, 19.30 Uhr, Vortrag Prof. Dr. Detlef Pollack

- Annika Lante
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