„Es war immer schön zu sehen, wie Menschen neue Lösungen für sich entwickeln, auch und gerade dann, wenn sie sich in einer echten Sackgasse glaubten“, Dr. Franz Maurer blickt auf eine „sinnvolle und befriedigende Tätigkeit“ in der Evangelischen Beratungsstelle für Ehe- Erziehungs- und Lebensfragen zurück, wenn er nun in den Ruhestand verabschiedet wird. Seit 1997 war der in Bochum aufgewachsene Franz Maurer in der Einrichtung der Evangelischen Kirchenkreises am Hagdorn tätig, davon 20 Jahre als Leiter der Einrichtung.
Gut zuhören und dann ganz ruhig die Probleme analysieren, die die Ratsuchenden vortragen, so hat der Diplom-Psychologe gearbeitet. „Empathie ist natürlich wichtig“, fügt er hinzu. Sorgsam gewählte Worte waren sein Werkzeug. „In der Beratung habe ich oft versucht, eine Sprache zu finden für die Gefühlslage, die ich bei meinem Gegenüber wahrnehme. Wenn das gelingt, fühlt sich der Andere wertgeschätzt“, erklärt der erfahrene Berater seine Herangehensweise – die er übrigens auch Familien und Paaren für stressige Situationen im Alltag empfiehlt.
„Ich habe Menschen gerne geholfen“, sagt Franz Maurer im Rückblick. Wichtig ist ihm: „Dabei haben die Ratsuchenden selbst das Ziel vorgegeben. In der Beratung möchten wir für die Klientinnen und Klienten eine konkrete Verbesserung in der nahen Zukunft erreichen. Das funktioniert oft schneller als Viele vermuten. Einige befürchten, dass man dazu erst alle Probleme aus der Kindheit aufarbeiten muss, das ist aber gar nicht der Fall.“ Nichtsdestotrotz hat der Psychologe dann, wenn es nachgefragt wurde, auch die Situation einer Familie rundum in den Blick genommen. „Das ist unser systemischer Ansatz. So kann es sein, dass bei den Kindern Schwierigkeiten auftreten, die in der ungünstigen Beziehung der Eltern begründet sind.“
Systemisch und kooperativ ist der Ansatz der Beratungsstelle auch in der Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen „Ganz gleich ob Familienbildung, Diakonie oder die Familienzentren der Kirchengemeinden, wir haben hier schon immer rege kooperiert“, betont Franz Maurer. – Und gemeinsam viel bewegt, denn nicht zuletzt sei das Ganze immer mehr als die Summe seiner Teile.
In der Mülheimer Beratungsstelle werden sowohl Hilfen für Einzelpersonen als auch für Familien oder Paare angeboten. „Es ist gut, dass wir das alles unter einem Dach anbieten können“, betont Franz Maurer im Rückblick. „wir sagen allen Klienten ganz bewusst: ,Sie dürfen wieder kommen‘. So kommt es, dass die Beraterinnen und Berater Menschen an verschiedenen Punkten ihrer Biografie begleiten. „Und wir freuen uns über das entgegengebrachte Vertrauen“, betont der Berater.
Seitdem der Psychologe Maurer in den 90er Jahren seinen Dienst in der Beratungsstelle am Hagdorn angetreten hat, hat sich die Gesellschaft und auch das Familienleben gewandelt. „Sichere familiäre Strukturen sind nicht mehr selbstverständlich. Andererseits sind die Rollen in einer Familie oder Partnerschaft auch nicht mehr so restriktiv formuliert. Es ist weniger vorgegeben, wie Familie zu sein hat. Das kann auch verunsichern. Ehepartner und Eltern müssen nicht mehr um jeden Preis zusammenbleiben. Wir als Beratungsstelle begleiten oft Eltern in Trennung und helfen ihnen dabei, auch als getrenntes Paar die Vater- und Mutterrolle gut wahrnehmen zu können.“ Generell trauten sich Menschen heute eher Beratung nachzufragen als früher, „Es ist nicht mehr so tabuisiert“. Das gelte insbesondere für die männlichen Ratsuchenden. Die Väter, sie kommen jetzt öfter, hat Franz Maurer beobachtet.
Auch die veränderte Medienwelt macht sich in der Arbeit im ruhigen Backsteinhaus in der Mülheimer Altstadt bemerkbar. „Die Menschen finden uns viel leichter über das Internet“, so Maurer. Aber die Netzwelt bringt auch neue Fragen hervor: Früher fragten Eltern allein danach, wieviel Fernsehkonsum gut für die Kinder sei. Heute stelle sich die Frage angesichts allgegenwärtiger digitaler Medien völlig neu. Als Thema, das heute häufiger zur Sprache kommt als vor zwanzig Jahren nennt Maurer Fragen zu möglicher Kindswohlgefährdung. Was sicher auch daran liege, dass die Sensibilität in der Wahrnehmung gestiegen sei – berechtigterweise, wie er betont.
Für den Diplom-Psychologen heißt es nun Abschied nehmen. Einerseits vom Team der Beratungsstelle, andererseits auch von Klientinnen und Klienten, die nun zum letzten Mal zu ihrem vertrauten Berater kommen. „Aber alle werden, wenn nötig, von einem Kollegen oder einer Kollegin weiter begleitet“, betont Franz Maurer. So richtig gewöhnt hat sich der 64-Jährige noch nicht an den Gedanken des Rentnerlebens. Pläne für die neue freie Zeit hat er schon gemacht: Jede Menge Kultur steht auf dem Programm, die eine oder andere Ausstellung und endlich einmal Muße für Literatur.