Auf 20 Thementafeln informiert die Ausstellung „Du Jude!“ über alltäglichen Antisemitismus in Deutschland. Bis zum 17. Juni 2023 macht die Wanderausstellung der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in der Hochschul- und Landeskirchenbibliothek in Wuppertal (HLB) Station.
Leena Nowoczin blickt nachdenklich auf den Aufsteller im Foyer. Darauf erzählen Nachrichten aus den sozialen Netzwerken von der Hetze und dem Hass auf Juden im Internet. „Ich bin diesen Posts auch schon begegnet“, erzählt die Studentin, „das ist unfassbar.“ Sie ist an diesem Vormittag zur Ausstellungeröffnung in die Hochschul- und Landeskirchenbibliothek (HLB) gekommen, weil sie hinsehen und ihren Blick schärfen will. Genau dazu lädt die Wanderausstellung „Du Jude!“ seit dem 4. Mai ein. Das Team der HLB um Elke Claussen und die Kirchliche Hochschule haben die Ausstellung nun nach Wuppertal geholt. „Wir wollen damit vor allem junge Menschen ansprechen“, erklärt Elke Claussen zur Eröffnung. Deswegen seien die Wuppertaler Schulen angeschrieben und eingeladen worden. Auch die Studierenden seien selbstverständlich willkommen. „Wir würden uns wünschen, dass die Jugendlichen und jungen Erwachsenen diese Ausstellung persönlich nehmen“, sagt Elke Claussen. Besucherinnen und Besucher sind eingeladen, ihre eigene Sprache, ihre Vorurteile und Ängste unter die Lupe zu nehmen.
Unter Polizeischutz zum Beten
Leena Nowoczin jedenfalls gelingt schnell der Brückenschlag in ihren eigenen, realen Alltag jenseits der sozialen Netzwerke. Dort sei ihr Antisemitismus noch nicht begegnet. Im Gemeindepraktikum in der Gemarker Kirche allerdings arbeitete sie in direkter Nachbarschaft zur jüdischen Gemeinde. „Dort habe ich gesehen, wie Menschen unter Polizeischutz zum Beten kamen, während wir nebenan in aller Freiheit Gottesdienst feiern konnten“, erzählt sie bedrückt und widmet sich dann wieder der Ausstellung. Es sei gut, wenn diese Thementafeln nun den Besucherinnen und Besuchern die Möglichkeit gäben, ihre Perspektive zu wechseln, sagt sie noch.
Die Frage nach dem Warum nicht den Opfern stellen
Genau um diese Sensibilisierung geht es den Veranstaltern. „Es ist unbedingt notwendig, dass die neue Generation mit diesem Thema nicht zum ersten Mal auf der Straße konfrontiert wird“, sagt Hochschulrektor Prof. Dr. Markus Mühling – und überlässt dann Dr. Ulrike Schrader, Leiterin der Begegnungsstätte Alte Synagoge in Wuppertal, und Wolfgang Hüllstrung, Beauftragter für Christlich-Jüdische Beziehungen und Dialog der Evangelischen Kirche im Rheinland, die Einordnung der Ausstellung. Dr. Ulrike Schrader nimmt ihre Zuhörer mit auf einen gedanklichen Rundgang entlang der Thementafeln – engagiert und kritisch. Sie blickt auf die ersten Plakate, die über die jüdische Geschichte informieren. „Unsachlich“, sagt die Leiterin der Begegnungsstätte entschieden, „Kenntnisse über das Judentum verhindern den Antisemitismus nicht.“ Deswegen plädiere sie dafür, dass Besucher das Thema aus einer eigenen Perspektive betrachten. „Die Frage nach dem Warum sollten wir nicht den Opfern stellen“, betont sie und bescheinigt der Ausstellung dann aber doch, gut gelungen zu sein, um sich dem Thema Antisemitismus als gesellschaftlichem Problem zu nähern.
Bedrückender Blick auf die Geschichte der Kirche
„Antisemitismus hat immer die gleiche Grundstruktur“, sagt Schrader mit Blick auf die lange Geschichte des Judenhasses, „aber er hat unzählige Gesichter.“ Viele dieser Gesichter entblößt die Ausstellung. Sie informiert über Antijudaismus und israel-bezogenen Antisemitismus, erinnert an die Hetze von Verschwörungstheoretikern und über Konflikte auf Sportplätzen. „Dieses Thema gehört in die Öffentlichkeit, auf keinen Fall in einen Schattenraum“, betont anschließend auch Wolfgang Hüllstrung, Beauftragter für den christlich-jüdischen Dialog in der Evangelischen Kirche im Rheinland. Zuvor hatte er an die bedrückende Geschichte der evangelischen Kirche erinnert, die es viel zu lange versäumt habe, deutlich gegen Antisemitismus aufzustehen – von Luther bis zu lückenhaften Erklärungen des späten 20. Jahrhunderts. „Es gab offensichtlich keine Sensibilität“, räumt er ein. Das sei heute anders. „Und wir sind alle aufgerufen, ein Stück beizutragen“, sagt Hüllstrung. Leena Nowoczin klatscht am Ende des Kurzvortrags. Sie ist längst bereit, ihren Teil zu leisten. Ende Mai veranstaltet sie mit Kommilitonen einen „KiHo-Tag gegen Rechts.“ Ihr Motto: „Vor Gott sind alle Menschen gleich.“