Vorbilder

Kirche in WDR2 | 14.01.2022 | 00:00 Uhr

Gibt

es eigentlich noch Vorbilder? Und taugen die was?

Die

Mädels wollten früher am liebsten wie Pippi Langstrumpf sein: witzig,

aufsässig, selbständig. Und die Jungs vielleicht wie Winnetou: Schlau, stark

und cool. Die meisten von ihnen sind dann aber doch Bürokauffrau oder

Mechatroniker geworden, also eher wie Tom und Annika. Macht ja nichts. Trotzdem

sind Vorbilder wichtig, oder? Sie geben Orientierung. Zu einem Vorbild kann ich

aufschauen. Wenn’s gut geht, sind die eigenen Eltern ein Vorbild. Bei mir ist

es auch der Sozialarbeiter im Jugendzentrum gewesen. Bei einer Freundin ihre

Lieblingstante, mit der hat sie über alles reden können, viel besser als mit

ihrer Mutter. Manche Vorbilder sucht man ja bewusst gegen die eigenen Eltern

aus. Ich habe mir jedenfalls bei anderen abgeguckt, wie sie Entscheidungen

treffen, wie sie mit Konflikten umgehen, wie sie Gefühle zeigen, wie sie Ziele

erreichen. Und dann habe ich das selbst auch so ausprobiert. Irgendwann habe

ich meinen eigenen Stil gefunden.

Und

dann gibt’s da natürlich die sehr konkreten Vorbilder: Gitarre spielen wie

Jimmy Page, eine Geschichte schreiben wie Juli Zeh. Glauben können wie… ja,

wie wer eigentlich? Gut, wenn man auch da jemanden findet, oder? Solche

Vorbilder funktionieren bei mir, wenn sie eine alte Sehnsucht in mir ansprechen.

Die Schriftstellerin Juli Zeh taugt für mich auch als Vorbild übers Schreiben

hinaus. In Talkshows ist sie klug, abwägend, immer wieder mal mit einem

Gedanken, der mich aufhorchen lässt. Und der Gitarrist von Led Zeppelin ist

Ehrenbürger von Rio de Janeiro, weil er viele, caritative Projekte in Brasilien

betrieben hat. Vorbildlich. Es geht wohl nicht immer so auf. Auch Vorbilder

haben Schwächen und machen Fehler. Deshalb schaue ich nicht nur zu ihnen auf, sondern

betrachte sie immer auch kritisch. Würde ich den Kids auch empfehlen, wenn sie

im Netz irgendwelchen Influencern folgen. Denn das ist wohl der Unterschied zum

Idol. Ein Vorbild kann man nicht anhimmeln. Mit Vorbildern setzt man sich

auseinander, um etwas zu lernen.

In

der Bibel werden oft ganz normale Männer und Frauen zum Vorbild. Als Maria mit

Jesus schwanger wird, besucht sie erst mal ihre Cousine Elisabeth und bleibt

gleich drei Monate bei ihr. Vielleicht sucht sie als junge Frau die Erfahrung

der Älteren. Und immer, wenn das Volk Gottes in einer Krise ist, dient ihnen

Abraham als Vorbild. Weil er immer, ganz gleich wie das Leben spielt, auf Gott

vertraut hat. Ein Held war er nicht. Aber ein Vorbild. Bis heute.

Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius

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  • 14.1.2022
  • Titus Reinmuth
  • © Sharon McCutcheon on Unsplash
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