Nach sechs Wochen Dauereinsatz findet Wanda Falk von der polnischen Diakonie zehn Minuten Zeit, um sich per Video mit den neuen Mülheimer Partnern aus Kirche und Diakonie zu treffen. Seit sechs Wochen ist die Generaldirektorin der Diakonie Polen im Dauereinsatz, der Hilfsgütertransport aus Mülheim ist kürzlich eingetroffen. Nun kam Diakonie-Chefin Wanda Falk ins Zoom-Meeting, um der Situation in Polen zu berichten und um Danke zu sagen: „Ich hoffe, ein Sonnenstrahl aus Warschau schafft es bis zu Ihnen nach Mülheim“. Das Mülheimer Spendenkonto ist weiter geöffnet.
Über die Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe hatte die Mülheimer Diakonie-Geschäftsführerin Birgit Hirsch-Palepu den Kontakt zu ihrer polnischen Kollegin geknüpft. Wenige Tage später lag eine Bedarfsliste für Hilfsgüter vor. Was folgte, war eine konzertierte Aktion von evangelischer Kirche und Diakonie an der Ruhr. Binnen zwei Wochen brachten die Mülheimerinnen und Mülheimer Tonnen von Sachspenden in die Gemeindehäuser: Hygieneartikel, Küchenausstattung und haltbare Lebensmittel. Das Diakoniewerk Arbeit & Kultur sorgte für die Logistik und den Transport der Güter nach Polen.
Dabei sind gerade im direkten Nachbarland der Ukraine Lichtblicke dringend gefragt. Über zwei Millionen Menschen sind vor dem Krieg nach Polen geflüchtet und noch mehr Menschen kommen – nicht zu vergleichen mit der Situation in Deutschland. Die Lage um Warschau entwickelt sich dynamisch. „Vor allem der Anfang war eklatant“, berichtet Wanda Falk, „da kamen binnen zwei Wochen über eine Million Menschen ins Land.“ Nicht alle blieben in Grenznähe, viele zogen weiter in die polnische Hauptstadt, wo sich mehrere Flüchtlingslager bildeten. „Auch die Kirchengemeinden vor Ort helfen hier mit“, berichtete Wanda Falk, auf ihrem Schreibtisch landen die Bitten um Unterstützung der Kirchengemeinden.
Mit Sorge schaut die polnische Hilfe-Koordinatorin auf Flüchtende mit besonderen Bedürfnissen, Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind oder etwa eine Sehbehinderung haben. „Es ist nicht leicht, allen die benötigte medizinische Versorgung zukommen zu lassen. Selbst wer einen Rollstuhl braucht, hat den oft nicht aus der Ukraine mitgebracht. An Rezepte für Medikamente kommen Flüchtende erst, nachdem sie registriert sind.“
Die Flüchtlingssituation hat in Polen eine ganz andere Dimension als im westlichen Nachbarland Deutschland, das wird im Gespräch schnell deutlich. „Man wird sehr bescheiden, wenn man das hört“, sagt Iris Schmitt, die sich gemeinsam mit dem Hilfenetzwerk der Vereinten Ev. Kirchengemeinde um Ehrenamtskoordination in der Flüchtlingshilfe in Mülheim kümmert.
Einige Fragestellungen sind in Mülheim und Warschau auch durchaus ähnlich, finden Saskia Trittmann, Flüchtlingsreferentin des Kirchenkreises an der Ruhr und Wanda Falk im Gespräch per Zoom: „Wir werden unsere Hilfe mehr und mehr von der akuten Versorgung auf Beratungsleistungen richten müssen“, schaut Falk voraus, Trittmann stimmt zu. „Wir brauchen nicht nur rechtliche Beratung, sondern auch psychologische Begleitung. Die Frauen, die bei uns ankommen, sind durch den Krieg traumatisiert. Oft haben sie ihre Männer zurückgelassen, manchmal auch ihre Eltern, das setzt ihnen sehr zu.“ Nicht zuletzt, so die polnische Geschäftsführerin, seien auch die Kinder in den Blick zu nehmen. Sobald sie in die Schule gehen können, vermittelt das ein wenig Normalität, da sind sich die Mülheimer Flüchtlingshelferinnen und die polnische Diakoniechefin einig. Rund 700.000 ukrainische Kinder, so schätzt man, seien nach Polen gekommen, berichtet Wanda Falk. „Unsere Schulen sind dafür zu klein, wir haben nicht genug Lehrer.“ Aber auch für die Kleineren brauche es Angebote, in Warschau ebenso wie an der Ruhr.
Glücklicherweise treffen die Diakonieprofis in Polen ebenso wie in Deutschland auf Menschen und Familien, die bereit sind, sich ehrenamtlich einzubringen, sogar Geflüchtete bei sich aufzunehmen. „Aber auch die freiwilligen Gastgeber brauchen Unterstützung“, sagt Wanda Falk und die deutschen Partnerinnen in der Videokonferenz nicken. Sind die Ukrainer erst einmal angekommen, will der Alltag organisiert sein, Behördengänge stehen an und vieles mehr.
Froh ist Wanda Falk um ihre Kooperationspartner vor Ort: die Caritas im mehrheitlich katholischen Polen, aber auch die Diakonie Katastrophenhilfe, die im Rahmen eines Projektes Unterstützung für das kommende Jahr beisteuert. Auch eine engere Zusammenarbeit mit Polizei und Grenzschutz sei nötig geworden, Menschenhandel ist leider ein Thema, weshalb die Kontrollen vor der Weiterreise nach Deutschland nun engmaschiger werden.
Zehn wertvolle Minuten in der Videokonferenz sind schnell vorbei. Das Mülheim-Warschauer Treffen endet jedoch nicht, ohne neue Hilfe zu verabreden. „Wir schicken eine Liste“, sagt Wanda Falk. Die weiter in Mülheim gesammelten Geldspenden kommen sowohl den Kriegsflüchtlingen in Polen als auch in Mülheim zugute. „Das ist wohl eine Zusammenarbeit im wahren europäischen Geist“, findet die Mülheimer Diakoniegeschäftsführerin Birgit Hirsch-Palepu und ist sich sicher: Der Kontakt nach Polen wir so schnell nicht abreißen.
Spendenkonto Ukraine – wir helfen!
Zur Unterstützung von Geflüchteten in Kooperation mit der Diakonie Polen und vor Ort in Mülheim
Diakonisches Werk im Evangelischen Kirchenkreis An der Ruhr,
IBAN: DE11 3506 0190 1010 1450 03, KD Bank Duisburg
- Annika Lante
- Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
- 0208. 3003-104
- lante@kirche-muelheim.de