Pressemitteilung

Warten bringt neues Leid

Flüchtlingsreferat

  • Nr. Ab August sollen bundesweit 1000 Familienangehörige von subsidiär geschützten Geflüchteten pro Monat nachziehen können. Eine Quotierung ist humanitär nicht angemessen, kritisiert das Flüchtlingsreferat des Kirchenkreises An der Ruhr.
  • 1.2.2018
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Bis August soll der Familiennachzug für subsidiär geschützte Geflüchtete ausgesetzt bleiben, danach sollen 1000 Familienangehörige pro Monat nachziehen können, darauf haben sich Union und SPD nun geeinigt. Die Kreissynode An der Ruhr hatte sich im November für den Familiennachzug eingesetzt.

„Grundsätzlich ist es gut, dass es nun eine Einigung gibt“, sagt Annette Faßbender, Flüchtlingsreferentin des Kirchenkreises An der Ruhr. „Doch generell ist in Frage zu stellen, ob sich  eine zahlenmäßige Beschränkung mit unseren humanitären Ansprüchen verträgt.“ Im November hatte die Kreissynode An der Ruhr in einem Beschluss gefordert, den vorerst bis Ende März ausgesetzten Familiennachzug bald wieder zu ermöglichen. Die gesetzliche Möglichkeit des Nachzugs dient dazu, dass Familien aus Bürgerkriegsländern nicht die gefährliche Fluchtroute über das Mittelmeer wählen müssen, sondern auf sicherem Wege nachkommen dürfen, wenn ihre Angehörigen schon in der Bundesrepublik anerkannt wurden. Annette Faßbender: „Viele der Geflüchteten, die wir in Mülheim betreuen, sind verunsichert, was eine zahlenmäßige Beschränkung nun für ihren konkreten Fall bedeutet.“

Zeit ist beim Familiennachzug oft ein kritischer Faktor. „Für die Geflüchteten ist von großer persönlicher Bedeutung, ob sie sofort den Antrag auf Familiennachzug stellen können oder erst im August“, berichtet Annette Faßbender aus der Beratungspraxis „Warten zu müssen, bedeutet für Geflüchtete zum Beispiel, aus der Ferne mitzuerleben, wie sich der Gesundheitszustand der Daheimgebliebenen verschlechtert oder ihre Sicherheitslage bedrohlicher wird. Zeitkritisch ist die Lage auch für Geflüchtete, die, während sie auf politische Entscheidungen warten, volljährig werden. Sie verlieren dann unter Umständen über Nacht ihr Recht darauf, mit mindestens einem Elternteil zusammen sein zu dürfen“, erklärt die Flüchtlingsreferentin des Kirchenkreises An der Ruhr. 

Zur nun fixierten Härtefallregelung merkt Flüchtlingsreferentin Annette Faßbender an: „Die Praxis muss erst beweisen, ob das mehr ist, als alter Wein in neuen Schläuchen.“ Mit der Härtefallregelung haben die verhandelnden Parteien nun etwas fixiert, dass zwar noch nicht in den Sondierungspapieren enthalten war, aber trotzdem schon gültige Rechtslage. Eine Härtefallregelung nach Paragraph 22 Aufenthaltsgesetz gilt schon jetzt. Sie ermöglicht Familiennachzug bei humanitären Notlagen. Das bedeutet, dass eine dringende Gefahr für Leib und Leben der Angehörigen im Heimatland bestehen muss, ihr „singulären Einzelschicksal“ muss sich deutlich von den allgemeinen Lebensumständen im Aufenthaltsland abheben. Im vergangenen Jahr haben von dieser Regelung rund 100 Personen bundesweit profitiert.

Am Donnerstag soll der Bundestag über die neue Frist und Beschränkung für den Familiennachzug abstimmen, damit ein Gesetzwurf noch rechtzeitig den Bundesrat passieren kann, bevor im März die aktuelle Aussetzung endet. Im November 2017 hatte die Kreissynode An der Ruhr ihr Votum für den Familiennachzug damit begründet, dass die schon jetzt „langen Wartezeiten auf Bescheide, Zuweisungen, Kurse, berufliche Anerkennungs- und Qualifizierungsmaßnahmen stellen für die Geflüchteten eine große Belastung“ darstellen. In der Antragsbegründung hatte Flüchtlingsreferentin Annette Faßbender aus den praktischen Erfahrungen in der täglichen Beratungsarbeit berichtet: „Wir erleben, dass die Flüchtlinge nach einer ersten Euphorie des Ankommens sehr verzweifeln, weil sie gewahr werden, dass sie Familien auf längere Zeit nicht mehr sehen können, weil sie oft nur subsidiären Schutz erhalten.“

Im Flüchtlingsreferat des Kirchenkreises werden jedes Jahr bis zu 450 Klientinnen und Klienten beraten. Hinter dieser Zahl stehen unterschiedlichste Anliegen: betreuungsintensive wiederholte Kontakte mit komplexen Fragen und Recherchen im Asylverfahren oder auch einmalige praktische Hilfen etwa beim Ausfüllen eines Formulars. Darüber hinaus engagieren sich in vielen Kirchengemeinden haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitende in der Flüchtlingshilfe. Auch sie bekommen im Flüchtlingsreferat regelmäßig Begleitung, Fortbildung und praktische Unterstützung.