Pressemitteilung

Pionierinnen berichten

Speldorf

  • Nr. "Pionierinnen im Pfarramt" waren die ersten Frauen in der rheinischen Kirche so wie Marie-Luise Brandtmann (geboren 1935). Aber auch heute stoßen Pfarrerinnen noch auf Widerstände, erfuhren die Zuhörer beim Podiumsgespräch in Speldorf.
  • 10.4.2017
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Pfarrerin werden – das war noch keine Selbstverständlichkeit, als Marie-Luise Brandtmann (geboren 1935) ins Berufsleben startete. Nun diskutierte die ehemalige Pfarrerin der Kirchengemeinde Speldorf gemeinsam mit weiteren Theologinnen verschiedener Generationen bei einem Podiumsgespräch anlässlich der in Speldorf gezeigten Ausstellung „Pionierinnen im Pfarramt“. Pfarrerinnen der Jahrgänge 1985 bis 1935 teilten ihre Perspektiven mit dem Speldorfer Publikum: Pfarrerin i.R. Marie-Luise Brandtmann (ehemals Kgm. Speldorf), Pfarrerin Reinhilde Lüninghöner-Czylwik (Kgm. Heißen) und Pfarrerin im Probedienst Nele Winkel (Essen).

Der Gesprächsabend war eine Begleitveranstaltung zur Ausstellung „Pionierinnen im Pfarramt“, die noch bis zum 12. April im Gemeindehaus Speldorf-Mitte, Duisburger Straße 276,  zu sehen ist (9 bis 12 und 14.30 bis 17 Uhr).

 „Das Weib schweige in der Gemeinde“, einen Zettel mit der barschen Botschaft aus dem Korintherbrief fand Gisela Vogel (Jahrgang 1938)  eine der 18 in der Ausstellung präsentierten „Pionierinnen“ in ihrem Briefkasten (Hörbeispiel). Heute eine absurde Vorstellung. Nicht nur für die 1985 geborene Pfarrerin im Probedienst Nele Winkel, sondern auch für die (etwas) älteren Mitdiskutierenden und die Zuhörer im Speldorfer Gemeindehaus. Selbstverständlich, so scheint es, können Frauen heute jeden Beruf ergreifen. Und dennoch sind die Errungenschaften der Emanzipation nur auf den ersten Blick sicher. „Und wie wollen Sie das mit den Kindern machen?“ Nele Winkler, Pfarrerin und zweifache Mutter kennt die Frage aus Gesprächen mit Presbyterien. Bei ersten Kontaktaufnahmen zu möglichen neuen Gemeinden hörte sie solche oder ähnliche Zweifel. Ob ein männlicher Interessent das auch gefragt worden wäre? – Kann im Nachhinein niemand beweisen. Reinhilde Lüninghöner-Czylwik wurde in den 80er Jahren als Pfarrerin im Hilfsdienst mit ganz direkten Widerständen konfrontiert und musste sich sagen lassen: In ihrer Gemeinde werden die Presbyter keine Frau ins Amt wählen. Auch davon erfuhr das Speldorfer Publikum beim Podiumsgespräch in Speldorf. Pfarrerin wurde Reinhilde Lüninghöner-Czylwik dennoch, was die Gemeindemitglieder rund um die Gnadenkirche in der Evangelischen Kirchengemeinde Heißen bis heute sehr schätzen.

Mit noch handfesteren Widerständen mussten sich die älteren Pfarrerinnengenerationen auseinandersetzen. „Und wer beerdigt denn jetzt meinen Mann?“, fragte eine Witwe nach dem Trauergespräch mit Pfarrerin Brandmann (von 1983 bis 1988 in Speldorf). Die Trauernde musste konsterniert feststellen, dass ihr Mann tatsächlich von einer Frau beigesetzt werden würde „obwohl er doch so ein männlicher Mann war“.

 

Erst seit 40 Jahren sind Frauen in der Rheinischen Kirche im Pfarramt völlig gleichberechtig. „Bis 1973 galt für Pfarrerinnen noch ein Pflichtzölibat, das konnte sich kaum einer der Zuhörer bei unserer Podiumsdiskussion vorstellen“, berichtet Pfarrerin Alexandra Cordes, die die Ausstellung gemeinsam mit ihrer Kollegin Pfarrerin Katrin Schirmer nach Speldorf geholt hat. Sie findet den Weg der Pfarrerinnen zur Gleichberechtigung „auch in gesellschaftlicher Hinsicht spannend.“ Ganz selbstverständlich, so scheint es, sei heute Gleichberechtigung erreicht. „Wir Westeuropäer neigen ja dazu allzu schnell auf andere Kulturen herabzuschauen, bei denen die Emanzipation weniger stark durchgesetzt ist. Dabei vergessen wir zu gerne, wie lange der Weg auch bei uns gedauert hat.“

Im Dezember rücken in Speldorf erneut die Frauen in den Fokus. Dann geht es in einer Ausstellung zum Reformationsjubiläum um „Reformatorinnen. Seit 1517. Reformation auf Augenhöhe“, zu sehen vom 1. bis 15. Dezember.

„Pionierinnen im Pfarramt“ zeigt in 17 Roll-ups den langen Weg der Frauen ins geistliche Amt. Eine ausführliche Chronologie verfolgt den Weg der rheinischen Theologinnen von der Öffnung der Universitäten bis hin zur vollen rechtlichen Gleichstellung mit den männlichen Kollegen im Jahr 1975. Zunächst konnten die Theologinnen nur mit Frauen und Mädchen und im nichtöffentlichen Rahmen tätig sein. Sie durften sich lange nur Vikarin oder Pastorin nennen und bis 1973 mussten sie bei einer Heirat aus dem Amt ausscheiden. Die Ausstellung schlägt einen Bogen von 1908, als die ersten Frauen in Preußen zum Studium an der Universität zugelassen wurden, bis zu ihrer rechtlichen Gleichstellung 1975. Anhand von historischen Dokumenten, einer Chronologie und beispielhaften Lebensbildern wird beleuchtet, wie Theologinnen gegen große Widerstände der Amtskirche ihren Weg ins Pfarramt erkämpften.

Kontakt und Info: Pfarrerin Alexandra Cordes, Telefon 0208.51993, cordes@kirche-muelheim.de.