Pressemitteilung

Ein Auffangnetz in der Not

20 Jahre Notfallseelsorge

  • Nr. Mit einem Festgottesdienst in der Feuerwehr-Fahrzeughalle feierte der Kirchenkreis An der Ruhr das 20-jährige Bestehen seiner Notfallseeslorge.
  • 14.6.2018
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Wie vor den Kopf geschlagen fühlen sich die beiden Jünger aus dem Weg nach Emmaus. Jesus ist gekreuzigt, wurde hingerichtet, obwohl sie so viel von ihm erhofft hatten. Ihre Welt ist aus den Fugen geraten, so erzählt es der Bibeltext . Und so geht es auch oft den Menschen, auf die die Notfallseelsorgerinnen und Notfallseelsorger in ihren Einsätzen treffen. Es sind Menschen, die einen schweren Unfall miterlebt oder sogar Angehörige verloren haben. Für sie ist die Notfallseelsorge da, in Mülheim seit 20 Jahren. Das feierte der Kirchenkreis An der Ruhr in einem Gottesdienst in der Fahrzeughalle der Freiwilligen Feuerwehr Broich gemeinsam mit Wegbegleitern von Feuerwehr und Rettungsdiensten, aus der Kommune und aus anderen Religionsgemeinschaften.

In einer Dialogpredigt griffen Pfarrer Guido Möller, Leiter der Notfallseelsorge, und Pfarrer Michael Manz, Notfallseelsorger im Hintergrunddienst, die Situation der Emmaus-Jünger auf. „Um sie herum ist Leben, aber sie können sich nicht daran freuen“, schilderte Michael Manz die Situation, wie sie nicht nur die trauernden Jünger, sondern auch viele Angehörige nach Unglücken erleben. „Sie sind nicht äußerlich verletzt, sondern innerlich“. Die Jünger machten sich gemeinsam zu Fuß auf den Weg. „Eine gute Methode, mit Stress umzugehen. Überhaupt kann es sinnvoll sein, sich vom Unglückort zu entfernen“, knüpfte Pfarrer Möller in der Predigt an. Die heute aktuellen Konzepte der Krisenintervention mögen den Jüngern nicht geläufig gewesen sein und doch, so die Prediger, kann man wesentliche Züge wiedererkennen: zuerst Distanz entwickeln zum Geschehen, das Leid zulassen, dann aber auch neue Perspektiven entwickeln, etwa zusammen mit einem Begleiter in der Not.
So wie Jesus neben den Emmaus-Jüngern sei auch Gott unverfügbar, aber immer nah. „Unser Herz weiß das schon“, sagte Pfarrer Michael Manz, „auch wenn unser Äußeres noch das Dunkel der Trauer trägt.“

Helles und Dunkles spiegelte sich auch in der musikalischen Gestaltung des Gottesdienstes wieder. Andächtige Momente zwischen den Predigtteilen gestaltete Detlef Wendler mit Improvisationen an der Klarinette. Schwung und Leichtigkeit transportierte der Gospelchor „Good News“ in die besondere Gottesdienststätte hinein, der Saarner Posaunenchor rundete die musikalische Gestaltung ab. In Gesang, Predigt und Gebet in der Feuerwehrhalle blitzte die Situation von Menschen in akuter Not immer wieder hinein. Das blaue Signallicht flackerte stets aufs Neue in den Raum und die Gottesdienstgemeinde hörte, wie die Leitstelle per Durchsage Rettungswagen in den Einsatz schickte.

Für solche Einsätze ist die Mülheimer Notfallseelsorge an 365 Tagen im Jahr dienstbereit, was Feuerwehrchef Burkhard Klein in seiner Ansprache ausdrücklich würdigte. „Wir wissen, dass die Notfallseelsorge eine Ressource ist, auf die wir uns zu einhundert Prozent verlassen können. Unsere Kräfte verlassen einen Einsatzort wesentlich beruhigter, weil sie wissen: Die Notfallseelsorger sind noch da.“ In den zwanzig Jahren gemeinsamer Arbeit ist ein enges Netz zwischen Seelsorgenden und Feuerwehr gewachsen. „Manchmal frage ich mich, ob Pfarrer Möller nicht auch Feuerwehruniform statt Talar tragen könnte“, warf Superintendent Hillebrand mit einem Augenzwinkern in die Runde. Ausdrücklich hob der Superintendent die professionelle Zusammenarbeit von Kirche, Feuerwehr und Rettungsdiensten hervor. „Das gute Netzwerk ist zu einem Markenzeichen geworden und sorgt dafür, dass Menschen sich auch in Krisensituationen gut aufgehoben fühlen können“.

Den Großteil der 20 Jahre Notfallseelsorge hat ihr heutiger Leiter, Pfarrer Guido Möller, selber miterlebt. Seit 2002 ist er in der Notfallseelsorge dabei, 1998 wurde sie in Mülheim unter der Leitung von Pfarrerin Claudia Geese gegründet. Die Notfallseelsorgerinnen und -seelsorger sind sowohl Pfarrerinnen und Pfarrer als auch eigens ausgebildete ehrenamtliche Kräfte. Sie werden ausschließlich über die Leitstelle der Feuerwehr alarmiert, nämlich immer dann, wenn nach Unfällen oder auch größeren Schadenslagen Betroffene und Angehörige zu betreuen sind oder wenn Todesnachrichten überbracht werden müssen. Pfarrer Guido Möller koordiniert Einsätze und Ausbildung. Außerdem ist er mit seinem Büro auf der Wache auch das Bindeglied zu Feuerwehr und Rettungsdiensten und ist als Seelsorger für die Einsatzkräfte ansprechbar.

Die Mülheimer Notfallseelsorge verzeichnet steigende Einsatzzahlen, rund 110 mal pro Jahr wurden die Kräfte zuletzt gerufen. Aktuell arbeiten rund 30 Ehrenamtliche und 25 Pfarrerinnen und Pfarrer in der Notfallseelsorge des Kirchenkreises An der Ruhr mit.

Hinweis für Menschen auf der Suche nach einem Ansprechpartner

Während die Notfallseelsorge nur von der Leitstelle der Feuerwehr alarmiert werden kann, gibt es für alle Menschen, die Bedarf nach einem Gespräch haben, auch Möglichkeiten, ganz direkt und individuell Kontakt aufzunehmen. Telefonnummern und E-Mail-Adressen von evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrern in Mülheim findet man über die Webseite www.kirche-muelheim.de (Rubrik Gemeinden / Straßenverzeichnis). Rund um die Uhr arbeiten kompetente Ansprechpartner bei der ökumenischen Telefonseelsorge: 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222. Die Gespräche sind kostenfrei und können anonym geführt werden, das heißt: Bei der Telefonseelsorge erscheint keine Anrufernummer auf dem Display und der Anruf bei der Telefonseelsorge wird auch nicht auf dem Einzelverbindungsnachweis des Telefonanbieters ausgegeben.