Zeichen des Zusammenrückens – Hoffnungspreis für „Mülheim stellt sich quer“

  • 3.12.2024
  • Annika Lante

Die Auszeichnung von „Mülheim stellt sich quer“ mit dem ökumenischen Hoffnungspreis und einen Dialogvortrag zur Ökumene von Superintendent Michael Manz und Stadtdechant Michael Janßen erlebten die Gäste des ökumenischen Neujahresempfangs in Mülheim an der Ruhr. Zu dem Empfang laden der Evangelische Kirchenkreis An der Ruhr und das Katholische Stadtdekanat gemeinsam ein.

Stellvertretend für viele an „Mülheim stellt sich quer“ beteiligte Institutionen und Organisationen nahm Bündnissprecherin und -initiatorin Nadia Khalaf gemeinsam mit Marc Scheffler, Patrick Schultz, Michaela Rosenbaum und Annelie Strosing als weiteren Vertreter*innen des Bündnisses den Preis beim Neujahrsempfang im Mülheimer Altenhof entgegen. Rund 150 Gäste aus Kirche und Stadtgesellschaft nahmen an dem feierlichen Abend teil.

In ihres Dankesrede blickte Nadia Khalaf auf die Geschichte von „Mülheim stellt sich quer“ zurück. Erstmals öffentlich in Erscheinung trat das zivilgesellschaftliche Bündnis anlässlich das zentralen Wahlkampfauftaktes, den die AfD 2019 in der Mülheimer Stadthalle beging. Damals hatte „Mülheim stellt sich quer“ erfolgreich zu einem breiten zivilgesellschaftlichen Protest aufgerufen. Zur größten Demonstration in der jüngeren Mülheimer Stadtgeschichte kam es Anfang 2024. Über 7000 Bürger*innen gingen auf die Straße für Demokratie, Vielfalt und Toleranz, nachdem in Potsdam Politiker*innen mit Verbindung zur AfD eine weitgehende „Remigration“ von Bürger*innen mit Migrationshintergrund gefordert hatten. „Ein menschenverachtender Plan“, wie Superintendent Manz bei der Preisverleihung betonte.

Preisverleihung im Altenhof / Haus der Ev. Kirche. v.l.: Stadtdechant Janßen, Nadia Khalaf, Marc Scheffler, Annelie Strohsing, Michaela Rosenbaum, Patrick Schulz, Superintendent Manz

In der Urkunde zum mit 1000 Euro dotierten Hoffnungspreis heißt es, die Auszeichnung werde verliehen „für das Engagement, Mülheimer Bürgerinnen und Bürger über die Gefahren zu informieren, die von jeglicher Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (Antisemitismus, Antiziganismus, Rassismus, Homophobie, Frauenfeindlichkeit usw.) ausgeht und mit den Mülheimer Bürgerinnen und Bürgern immer wieder ein deutliches Zeichen der Solidarität für Demokratie, Toleranz, Frieden und Vielfalt zu setzen. Das Bündnis „Mülheim stellt sich quer“ vereinigt in sich ein breites Spektrum verschiedenster Gruppierungen unserer Stadtgesellschaft über alle politischen, religiösen und kulturellen Grenzen und Unterschiede hinweg und demonstriert damit in diesen in vielerlei Hinsicht herausfordernden Zeiten einen enormen Zusammenhalt aller Mülheimer Bürgerinnen und Bürger, indem es sich für die Ziele der Grundwerte unserer Gesellschaft im Interesse eines würdigen Miteinanders einsetzt.“

Evangelische und katholische Kirche engagieren sich auch selber im Bündnis „Mülheim stellt sich quer“ und hatten auch zu den großen Demonstrationen mit aufgerufen.

Um mehr Gemeinsamkeit ging es auch im gemeinsamen Festvortrag der Hausherren. Superintendent Manz und Stadtdechant Janßen nahmen die Situation der Ökumene in den Fokus. „Es gibt eh nur einen Gott“, ist die Veranstaltungsreihe überschrieben, zur der der Evangelische Kirchenkreis An der Ruhr im neuen Jahr einladen wird. „Ja, nur einen Gott – aber verschiedene Zugänge“, ergänzte Stadtdechant Michael Janßen und räumte ein: „Das war schon ein harter Satz aus Rom damals“. Gemeint war die Feststellung von Papst Ratzinger vor nunmehr fast 25 Jahren, die evangelische Kirche sei „keine Kirche im eigentlichen Sinne“. – „Ja natürlich sind wir alle die Kirche Jesu Christi“ hielt der Stadtdechant vor dem ökumenischen und weltlichen Publikum im Mülheimer Altenhof fest. „Wir leben die Einheit in Vielfalt, die Vielfalt in der Einheit und die Einheit in versöhnter Verschiedenheit“, fügte der Stadtdechant hinzu. „Aber uns bleiben die Knackpunkte des unterschiedlichen Kirchen- und Amtsverständnis und des unterschiedlichen Verständnis von Abendmahl beziehungsweise Eucharistie.“

Festvortrag im Dialog von Superintendent Michael Manz (li.) und Stadtdechant Michael Janßen

Superintendent Manz verwies auf die nun erstmals ökumenisch erstellte bundesweite repräsentative Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung, bei der die Unterschiede zwischen evangelischen und katholischen Befragten deutlich geringer ausfielen als die zu Konfessionslosen. Außerdem befürworteten die meisten Befragten eine stärkere Kooperation der Kirchen „Das ist doch ein deutliches Zeichen dafür, dass wir zusammenrücken sollten“, resümierte Superintendent Manz. – Vielleicht sogar so weit, wie es ihm einmal mit einem Augenzwinkern vorgeschlagen worden sei, sagte Stadtdechant Janßen: Mit einer ökumenischen Wohngemeinschaft für Superintendent und Stadtdechant auf dem Kirchenhügel – mit dem ehemaligen Jugendhaus genau zwischen den Kirchen St. Mariae Geburt und Petri sei schließlich der ideale Ort vorhanden.

Ob es so bald zur „ökumenischen WG“ im engeren Sinne kommt, ließen die Vortragenden im Haus der Kirche offen. Wichtig sei, so Superintendent Michael Manz „keine Papiere zu schreiben, sondern näher bei den Menschen zu sein, die auch gerne ökumenisch gemeinsam Gottesdienst feiern – mit allem, was dazu gehört.“ Dem ökumenischen Zusammenrücken war auch der Stadtdechant aufgeschlossen: „Wer aus tiefem Herzen katholisch ist, ist immer auch ein bisschen evangelisch. Und wer aus tiefem Herzen evangelisch ist, ist auch immer ein bisschen katholisch.“

Nach Festvortrag und Preisverleihung hatten die geladenen Gäste im Altenhof noch viel Gelegenheit, bei Gesprächen, Kartoffelsuppe und Currywurst Gemeinsamkeiten in der Ökumene und darüber hinaus zu entdecken. Den festlich-musikalischen Rahmen des Abends gestalteten die Kantoren Sven Schneider und Christoph Gerthner mit Flügelspiel und Gesang.

Christoph Gerthner und Sven Schneider gestalteten den Abend musikalisch.