Sie installieren Nistkästen, zählen Vögel und Insekten, pflanzen und ernten: Die Freiwilligen der Umweltgruppe der Evangelischen Kirchengemeinde Holten-Sterkrade zeigen seit 2014, was der Einsatz Einzelner verändern kann. Die Tiere danken es ihnen.
Langsam wird es Winter auf der Streuobstwiese in Holten. Die Quitten sind geerntet, genauso wie die wenigen Äpfel, die schon an den jungen Bäumen reifen. Und in der Wildsträucherhecke ist es leise geworden. Das Summen und Brummen und Vogelgezwitscher des Sommers macht eine Pause. „Mit so einem Ort braucht man ein bisschen Geduld“, sagt Werner Lantermann an einem diesigen Tag im Oktober. Vor fünf Jahren haben die Ehrenamtlichen der Umweltgruppe der Evangelischen Kirchengemeinde Holten-Sterkrade an der Hippegasse eine Streuobstwiese angelegt – mit Apfelbäumen, Birnen und Quitte und einer Wildsträucherhecke. „Im achten bis zehnten Jahr werden wir ernten können“, sagt Werner Lantermann und schmiedet schon Pläne für Projekte mit Kindergärten und Jugendgruppen. Der Sprecher der Umweltgruppe weiß aber auch: Es geht eigentlich weniger um die Ernte, als um diesen besonderen Ort selbst. Die Kirchengemeinde hat rund 800 Quadratmeter Brachfläche von der Kommune gepachtet, um dort einen Lebensraum für die Tiere zu schaffen. „Und einen Ort zu entwickeln, an dem wir Naturschutz sichtbar machen können“, sagt Lantermann.
Zehn Jahre Spuren in Holten: Blühende Wiesen und gelebter Naturschutz
Seit zehn Jahren hinterlässt die Umweltgruppe so ganz verschiedene Spuren in dem kleinen Oberhausener Stadtteil Holten. Blühende Wildwiesen sind entstanden, unzählige Nistkästen haben einen Platz gefunden – in privaten Gärten, auf kirchlichem Gelände und an öffentlichen Plätzen. „Mit den Nistkästen haben wir damals angefangen“, erinnert sich Lantermann. Über Jahrzehnte hatte der Sozialarbeiter die Jugendarbeit der Kirchengemeinde geprägt. „Kurz vor dem Ruhestand habe ich mich dann gefragt, in welchem Bereich ich mich weiter engagieren möchte“, erzählt er. Und weil ihm der Naturschutz schon immer eine Herzensangelegenheit gewesen sei und es noch keine vergleichbare Gruppe in der Region gegeben habe, sei die Entscheidung auf den Umweltschutz gefallen. „Seitdem sind wir rund 20 Freiwillige, ein richtig gutes Team“, erzählt Lantermann. Sie gründeten keinen Verein und keine Initiative: Stattdessen versteht sich die Gruppe ganz bewusst als Teil ihrer Kirchengemeinde. „Das gehört zusammen“, ist sich Lantermann sicher. In der Kirche werde verkündet, in der Gemeinde diese Botschaft dann gelebt – wenn sich Freiwillige finden.
Praktische Hilfe: Nistkästen als Schlüssel zur Artenvielfalt
In Holten bedeutete das fürs Erste: Die Ehrenamtlichen begannen, Nistkästen zu bauen. „Das war was Praktisches, was man auch mit Kindern machen konnte“, erzählt der ehemalige Jugendarbeiter. Seit damals sind in Holten rund 200 Nistkästen für Singvögel entstanden. Und das merkt man auch an der Population der Tiere. „Inzwischen bauen wir auf Bestellung“, erzählt Lantermann. Die Kommune hat sich bei der Gruppe gemeldet, weil sie mit den Meisen die Eichenprozessionsspinner im Stadtpark bekämpfen will – und dafür erst mal die Voraussetzungen schaffen muss. Auch auf den drei Gemeindefriedhöfen hängen die Nistkästen, um die Meisenpopulation zu stärken.
Monitoring in Holten: Artenvielfalt entdecken und dokumentieren
„Gleichzeitig haben wir schon ganz am Anfang eine Art Bestandsaufnahme gestartet“, erzählt Lantermann. Die Umweltgruppe begann mit einem Reptilienmonitoring. „Allerdings ohne großen Erfolg. Wir haben ein Reptil gefunden: die Blindschleiche“, erzählt der Sprecher der Umweltgruppe. Deutlich mehr Erfolg brauchte das Vogelmonitoring der Gruppe: Über fünf Jahre zählten 14 Mitglieder einmal in der Woche die Vögel in ihren Gärten. 65 verschiedene Arten entdeckten die Umweltschützer während dieser Aktion. „Das war für uns eine große Überraschung“, erzählt Lantermann und erinnert an die Industrieregion, in der sie leben. Die Zählung sorgte für Aufsehen und wurde schließlich sogar in der ornithologischen Fachliteratur erwähnt. Die dadurch ermutigte Umweltgruppe nahm als Nächstes die Schmetterlinge in den Blick – das Projekt läuft noch.
Lebensräume anpassen: Wettbewerb für insektenfreundliche Gärten
„Es ist wichtig für uns zu wissen, welche Tiere bei uns leben“, erklärt Lantermann das Engagement der Gruppe, „dann können wir reagieren und den Lebensraum anpassen, zum Beispiel mit der Gestaltung unserer Gärten.“ Denn bei diesem Thema liege auch im idyllischen Holten einiges im Argen. Die Gruppe habe darüber nachgedacht, Hausbesitzern mit Schottergärten eine Zitrone zu verleihen. Aber dann entschieden sich die Umweltschützer für eine ganz konstruktive Idee und schrieben einen Wettbewerb für insektenfreundliche Gärten aus. 34 Gartenbesitzer in Holten machten mit, passten ihre Gärten an, um mehr Lebensraum für Vögel und Insekten zu schaffen. Am Ende verlieh die Gruppe elf Gärten die Plakette „Vorzeige-Garten“, die bis heute an Gartenzäunen im Ort von der Aktion erzählen.
Fledermausschutz am Kirchturm: Geduld für die Rückkehr der Tiere
Aber die Gruppe will auch vor der eigenen Haustüre kehren und nimmt deswegen auch die Kirchengemeinde in die Pflicht. „Die Saubermänner hatten dafür gesorgt, dass alle Einfluglöcher für Fledermäuse an unserem Kirchturm verschlossen worden waren“, erzählt Lantermann. Die Umweltgruppe bewirkte dann einen neuen Presbyteriumsbeschluss: Die kleinen Einfluglöcher wurden wieder geöffnet und dahinter montierten die Freiwilligen einen Fledermauskasten. Nun finden die Tiere im Turm eine Möglichkeit „abzuhängen“, ohne dabei den Turm zu verschmutzen. „Allerdings warten wir noch auf die Rückkehr der Fledermäuse“, sagt Lantermann, „bisher haben sie den Kirchturm noch nicht wieder für sich entdeckt.“ Mal wieder braucht es Geduld.
Wissen und Vernetzung: Winterzeit als Bildungszeit
Den Winter nutzt die Umweltgruppe nun vor allem, um sich schlauzumachen. Während in den warmen Monaten neben den vielen Arbeitseinsätzen auch Exkursionen auf dem Programm stehen, laden die Ehrenamtlichen nun einmal im Monat Referenten zum Gruppentreffen ein. Dazu gehören Vogelexperten des Nabu, Fachleute für Heuschrecken, Vertreter vom Bündnis „Bienen & Co“ oder Mitglieder des Naturgartenvereins. „Wir sind gut vernetzt“, sagt Werner Lantermann mit Blick in die Region. Und gelegentlich beteilige sich man sich auch an politischen Initiativen für den Naturschutz. „Aber dafür sind bei uns in der Region eigentlich andere zuständig“, sagt er dann und denkt an die großen Vereine. „Wir hier haben uns den Umweltschutz im Alltag vorgenommen.“
Dieser Beitrag ist in einer gekürzten Fassung in der aktuellen Ausgabe des Magazins EKiR.info für die Mitglieder der Presbyterien erschienen. Das komplette Dezemberheft finden Sie zum Download hier .