Evangelische Johannes-Löh-Gesamtschule verabschiedet Burscheids ersten Abiturjahrgang

Sie hat es geschafft. Am Samstag, 10. Juni, bekam Alina Stiefvater ihr Abiturzeugnis überreicht. Die 19-Jährige ist eine von 49 Schülerinnen und Schülern, die den ersten Abiturjahrgang der Johannes-Löh-Gesamtschule in Burscheid (Rheinisch-Bergischer Kreis) bilden. Und zugleich den ersten Abiturjahrgang überhaupt in der Geschichte der bergischen Nachbarstadt von Leverkusen. 46 von ihnen haben die allgemeine Hochschulreife erreicht, zwei die Fachhochschulreife.

Alina Stiefvater (19) gehört zum ersten Abiturjahrgang in Burscheid.
Alina Stiefvater (19) gehört zum ersten Abiturjahrgang in Burscheid.

Zwar hatte es bis in die 1950er-Jahre schon mal ein Pastor-Löh-Gymnasium in Burscheid gegeben, aber das verfügte als Progymnasium nicht über eine eigene Oberstufe. Die wurde erst möglich durch die Bereitschaft der Evangelischen Kirche im Rheinland, zum Schuljahr 2014/2015 mit einer neuen Gesamtschule an den Start zu gehen. Eine inzwischen neunjährige Erfolgsgeschichte, wie nicht nur Sascha Flüchter, Schuldezernent der rheinischen Kirche , findet: „Die Schule ist ein Herzensprojekt sowohl der Stadt als auch der Kirche.“ Auch Bürgermeister Dirk Runge spricht von einem „wichtigen Meilenstein“ für die Schullandschaft der Stadt. „Ich gratuliere selbstverständlich erst einmal allen Schülerinnen und Schüler. Ein ganz dickes Lob geht aber auch an Schulleiterin Angelika Büscher und ihre Kolleginnen und Kollegen. Ich bin sicher, dass es nicht einfach ist, eine sich im Aufbau befindende Schule so zielsicher zu leiten und zu lenken.“

Gesamtschule löst in Burscheid Haupt- und Realschule ab

Für die schrittweise ab Klasse 5 nachwachsenden Gesamtschuljahrgänge liefen entsprechend die städtische Friedrich-Goetze-Hauptschule und die evangelische Realschule aus. Die Schulgebäude liegen nebeneinander. Sie werden heute komplett von der Gesamtschule genutzt. „Am Anfang war das noch ein bisschen komisch, als es auf der Gesamtschule nur die Fünftklässler gab“, erinnert sich Alina Stiefvater an den Start für den ersten Jahrgang der neuen Schule. Damals wurde bei den Gebäuden auch noch von Haupt- und Realschule gesprochen. „Heute sagen wir nur noch Haus 1 und Haus 2.“ Aus zwei Identitäten ist eine geworden.

Oberkirchenrat i. R. Klaus Eberl hatte die Verhandlungen mit der Stadt Burscheid zur Gründung der Gesamtschule geführt.
Oberkirchenrat i. R. Klaus Eberl hatte die Verhandlungen mit der Stadt Burscheid zur Gründung der Gesamtschule geführt.

Zwei eigensinnige Gesprächspartner verbinden sich

Oberkirchenrat i. R. Klaus Eberl kennt die Vorgeschichte genau. Er führte die Verhandlungen seitens der Kirche. „Der inzwischen leider verstorbene Bürgermeister Stefan Caplan war mir als schwieriger Gesprächspartner angekündigt worden. Wenn zwei eigensinnige Menschen aufeinandertreffen, zerstreiten sie sich entweder oder sie verbünden sich. Bei uns ist fast so etwas wie Freundschaft entstanden.“ Für die rheinische Kirche sei klar gewesen, dass ein neues Schulangebot „spannend und wegweisend“ sein müsse. Für Burscheid seien das von Beginn an die Themen Inklusion und Religionsunterricht gewesen.

Sascha Flüchter ist Schuldezernent der rheinischen Kirche.
Sascha Flüchter ist Schuldezernent der rheinischen Kirche.

Burscheider Modell ermöglicht interreligiöses Lernen

Das Besondere am Religionsunterricht: Die rheinische Kirche als konfessioneller Schulträger bietet auch muslimischen Religionsunterricht an. Zudem sind immer wieder Phasen vorgesehen, in denen es zu interreligiösen Projekten und gemeinsamem Lernen kommt. Das Konzept ist inzwischen als Burscheider Modell bekannt und anerkannt. Bürgermeister Runge lobt es als „besonderes Merkmal“ der Schule und deutliches Signal, dass an der Johannes-Löh-Gesamtschule alle Kinder, egal welcher Konfession oder Herkunft, willkommen sind. Nicht zufällig ist die Schule auch nach einem Burscheider Pfarrer des 19. Jahrhunderts benannt, der sich besonders der Volksbildung verpflichtet hatte. „Es wäre unser Wunsch, das Burscheider Modell auch auf die Sekundarstufe II auszudehnen, wenn es genügend muslimische Lehrkräfte gibt und der Anteil der muslimischen Schüler in der Oberstufe zunimmt“, sagt Schuldezernent Flüchter.

Schulen als kirchliche Orte begreifen

Die Schule sieht er (jenseits der Mühen insbesondere der Gesamtschulen bei der Personalgewinnung) für die Zukunft „ausgezeichnet aufgestellt“: „Wir arbeiten mit der Stadt in sehr guter Kooperation.“ Gerade die jüngste Landessynode habe erst die besondere Bedeutung von Bildung und kirchlichen Schulen betont. Entsprechend die Schulen auch als kirchliche Orte zu begreifen, „das wäre meine Vision“. Aus Burscheid jedenfalls nimmt Abiturientin Stiefvater schon mal eine große Glaubensoffenheit mit – und ein Gespür dafür, wo sich Religionen nahe sind und Schnittmengen haben. Die Teamerin der örtlichen Kirchengemeinde selbst verlässt die Schule bestens gerüstet: Mit einem Abi-Schnitt von 1,3 will sie als Jahrgangsbeste ab Oktober an der Universität Köln den 2-Fach-Bachelor in English Studies und Medienkulturwissenschaft angehen.

  • 09.06.2023
  • Ekkehard Rüger