Bezahlkarte: "Wenig würdevoll und sehr aufwändig"

Sollen Geflüchtete in Mülheim wesentliche Teile ihres Lebensunterhalts nur noch per „Bezahlkarte“ bestreiten können? Mit einer Anfrage zu diesem Thema befasst sich der Rat der Stadt in seiner nächsten Sitzung am 10. Juli. Saskia Trittmann, Flüchtlingsreferentin des Kirchenkreises An der Ruhr, setzt sich dafür ein, dass die Mülheimer Politiker*innen von der Opt-Out-Möglichkeit der Kommunen Gebrauch machen, damit die Bezahlkarte in der Ruhrstadt nicht zum Standard wird. Dafür nennt sie vor allem zwei Gründe: „Zum einen ist die Nutzung der Bezahlkarte mit Diskriminierung verbunden, zum Anderen bedeutet sie einen erheblichen Verwaltungsaufwand, dem kein hinreichend großer Nutzen gegenüber steht.“

Das Flüchtlingsreferat des Kirchenkreises begleitet jedes Jahr rund 850 Klient*innen beim Ankommen in Deutschland, unterstützt bei der Klärung des Aufenthaltsrechts und hilft bei der Integration. „Aus der Beratung wissen wir, welche Herausforderungen ein Leben unter den enggefassten Rahmenbedingungen eines Asylverfahrens mit sich bringt, kennen die Unsicherheiten, wenn der Aufenthalt nicht gesichert ist und die Sorgen um Angehörige, die im Heimatland zurückgeblieben sind.“ Saskia Trittmann macht deutlich, dass Geflüchtete mit der bargeldlosen Bezahlung viele Möglichkeiten nicht mehr offen stehen: „der günstige Einkauf auf dem Flohmarkt oder per Kleinanzeige, der Besuch im kleinen internationalen Lebensmittelmarkt um die Ecke oder auch soziale Teilhabe durch Besuch eines Straßenfestes.“ Hinzu kommen Fragen des Datenschutzes und der persönlichen Lebensgestaltung dann, wenn die Bezahlkarte von Dienstleistern nicht akzeptiert wird und individuell beim Sozialamt um eine Freigabe einer Zahlung nachgefragt werden muss. Trittmann: „Wenn jemand bei der Frauenärztin oder beim Anwalt eine Leistung nicht mit der Karte bezahlen kann, muss er oder sie beim Amt eine Freigabe für den spezifischen Zweck beantragen. Damit geht immer auch eine Offenlegung des Zweckes einher, der ja sehr persönlich sein kann. Das ist ein Eingriff in die Privatsphäre.“

Saskia Trittmann
Saskia Trittmann

Mit dem Handling der Karte komme zusätzlicher Aufwand auf die kommunalen Mitarbeitenden zu „und wir sehen im Alltag schon jetzt, wie sehr die Kolleg*innen an der Belastungsgrenze arbeiten“, so Saskia Trittmann. Hinzu komme, dass das oft angeführte politische Ziel, Rücküberweisungen in die Heimatländer zu verhindern, mit der Durchsetzung der Bezahlkarte kaum erreicht werden kann. „Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zeigt, dass nur 7% aller in Deutschland lebenden Schutzsuchenden überhaupt Geld in ihre Herkunftsländer überweisen.“

Saskia Trittmann: „Die Kritik an der Bezahlkarte höre ich auch von anderen Partnern aus dem Netzwerk Beratung Flucht und Migration, in dem Beratungsstellen weiterer Träger organisiert sind.“ Vor dem Hintergrund dessen hat die Flüchtlingsreferentin des Kirchenkreises An der Ruhr die Argumentation schon im März Oberbürgermeister Buchholz vorgetragen. „Wir hoffen nun auf eine politische Antwort aus dem Rat, die für die Geflüchteten in unserer Stadt einen pragmatischen und würdigen Umgang mit der Situation ermöglicht“, so Saskia Trittmann.

  • 08.07.2025
  • Annika Lante
  • Red