Guck mal – sage ich zu meinem Sohn – ich habe neue
Elefanten und zeige mit dem Finger auf die Elefantenkuh mit ihren Kindern. Mein
Sohn beachtet die Elefanten nicht, aber mich um so mehr.
Hast Du den Armen wieder alles weggekauft. Ich
schweige. Hinter ihm steht die Stereo-Konzerttruhe Alabama von Blaupunkt. Eine
Truhe auf vier Beinen, mit integriertem Schallplattenspieler, Radio und Boxen. Auch
die habe ich den Armen weggekauft. Ebenso wie die Tischdeko: kleine Tannenbäume
aus Holz und rote Windlichter.
Eigentlich hat mein Sohn ja Recht – nur könnte er
den Vorwurf doch etwas höflicher formulieren? Vielleicht als Frage: Darf man
als Normalverdienerin in Sozialkaufhäusern einkaufen. Eigentlich waren die ja
mal für Menschen mit geringem Einkommen gedacht.
Aber ob die unbedingt scharf sind auf Elefanten aus
Marmor oder eine Musiktruhe aus den 70gern?
Dort wo ich einkaufe, darf ich das als
Normalverdienerin. Im Sozialkaufhaus „Viel Wert“ der Wuppertaler Diakonie.
Ein bisschen schlechtes Gewissen bleibt trotzdem.
Und das, obwohl ich dort auch spende.
Im Fairhaus der Düsseldorfer Diakonie bekommen die
mit geringem Einkommen eine Faircard – einen Preisnachlass von 30 Prozent.
Die Idee gefällt mir.
Neulich war ich beim Kinderschutzbund in Wuppertal –
dort gibt es Kleidung.
Die Chefin sagt: „Früher war das nicht so. Da
durften nur Geringverdienende bei uns einkaufen“. Ich stehe neben einer jungen Frau,
die voll auf Speed ist. Sie hockt am Boden sortiert Dessous: von einem Korb in
den anderen und dann wieder retour.
Eine Frau gibt eine Spende ab. Die Chefin öffnet den
Sack: „Wir sortieren hier Müll“, sagt sie zu mir. Verrauchte, kaputte,
verwaschene, abgetragene Kleidung. Zwischendrin was Brauchbares oder was
Ausgefallenes. Ein Abendkleid mit Preisschild oder ein Diadem.
Eine alte Frau kauft gebrauchte Unterhosen. Das
Stück für 50 Cent. „Haben Sie Hunger? “,
fragt die Chefin und drückt ihr Geld in die Hand.
Ich stehe daneben und schäme mich ein bisschen. Die Lust am Shoppen ist mir
vergangen.
„Ja, es gibt immer mehr Arme“, sagt die Chefin. „Und
immer mehr Hunger“.
Im Winter verteilen wir samstags Essen auf dem
Laurentiusplatz. Die Schlangen werden immer länger.
Ich bin erschüttert über dieses Ausmaß an Armut. Für
mich selbst ist das Sozialkaufhaus auch ein Raus aus meiner Blase. Ein Hin zu
der Überlegung, was kann ich eigentlich tun für Menschen, die wirklich arm
sind. Außer ihnen Elefanten und Konzerttruhen wegkaufen.
Was kann ich tun? Ich frage mal nach, vielleicht
brauchen sie noch Hilfe bei der Suppenküche.
Foto:https://www.sozialeteilhabe.de/waren-dienstleistungen/sozialkaufhaus-vielwert
Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius
https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/57079_WDR220211228Steinwender.mp3