Protest gegen Kürzungen im Sozialbereich #nrwbleibsozial

Der Haushaltsentwurf 2025 der NRW-Landesregierung sieht Kürzungen bei sozialen Diensten in Höhe von 83 Millionen Euro vor. Von diesen Plänen betroffen sind auch zahlreiche Angebote der Evangelischen Kirche und der Diakonie in Mülheim. Am geplanten Protest auf den Rheinwiesen (ACHTUNG, geänderter Ort) werden sich daher auch zahlreiche Mülheimer Mitarbeitende beteiligen, Superintendent Manz ruft Unterstützer*innen zur Teilnahme auf.

Die Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege NRW ruft unter dem Motto „NRW bleib sozial!“ zum großen Protesttag in Düsseldorf am Mittwoch, 13. November, auf.

ACHTUNG, geänderter Ort wegen der erwarteten hohen Teilnehmendenzahl:
Die Kundgebung wird um 12:05 Uhr auf den linksrheinischen Rheinwiesen (zwischen Rheinknie-Brücke und Oberkasseler Brücke) starten. Sie endet um circa 14 Uhr.

Superintendent Michael Manz (Foto: PR-Fotografie Köhring)

Superintendent Manz vom Evangelischen Kirchenkreis An der Ruhr ruft zur Unterstützung der Proteste auf. „Wir als Kirche wollen gerne weiter ein starker Pfeiler im sozialen Gefüge unseres Landes bleiben. Das geht aber nur mit auskömmlicher Finanzierung. Gerade Menschen, die am meisten von unseren Angeboten profitieren, wären von den Kürzungen am stärksten betroffen. Es geht nicht an, dass wir einerseits beklagen, dass der soziale Zusammenhalt in unserer Gesellschaft erodiert und andererseits derart massive Kürzungen an der sozialen Infrastruktur unseres Landes hinnehmen. Daher schließe ich mich dem Protest an und rufe zur Teilnahme auf“, so Superintendent Manz.

Auch Mitarbeitende der Mülheimer Diakonie, der Evangelischen Beratungsstelle, der Familienbildungsstätte und des Flüchtlingsreferates des Kirchenkreises werden bei den Protesten vor dem Düsseldorfer Landtag dabei sein. Zum Teil haben auch Klient*innen oder Eltern, die von Beratungs- und Betreuungsangeboten profitieren, ihre Unterstützung angekündigt.

 

Für die evangelischen Einrichtungen in Mülheim gilt, dass in Bezug auf die aktuell geplanten Kürzungen oft noch nicht klar ist, wie sie konkret umgesetzt werden müssen, ob möglicherweise die nun neu entstehenden Finanzierungslücken durch Einnahmen an anderer Stelle ausgeglichen werden können. „In jedem Fall treffen die Kürzungen uns in einer Lage, in der unsere finanzielle Situation keine Spielräume mehr bietet“, so Superintendent Michael Manz. „Auch ohne die neuerlichen Einsparungen erleben unsere Einrichtungen Kostensteigerungen für das Personal, die längst nicht mehr durch Erstattungen der öffentlichen Hand ausgeglichen werden.“

So sind Arbeitsbereiche der evangelischen Einrichtungen und Werke in Mülheim betroffen:

Evangelische Familienbildungsstätte (zu den Webseiten der FBS) 

  • Kürzung der Dynamisierung der Leistungen nach dem Weiterbildungsgesetz NRW von 2 Prozent jährlich auf 1 Prozent. Der Faktor der Dynamisierung dient dazu, Kostensteigerungen abzumildern.
  • Kürzung bei den Zuwendungen für kostenfreie Eltern-Baby-Angebote wie Kurse und offene Treffs „Elternstart NRW“ von 45 Prozent
  • Kürzungen der Kooperationsleistungen für die seit 20 Jahren erfolgreich aufgebaute Vernetzung mit Familienzentren im Sozialraum von 66 Prozent
  • Kürzung der Gewährung von Ermäßigungen für Familien in finanziell herausfordernden Lebenslagen ebenfalls von 66 Prozent

All diese Leistungen können nicht anders abgefedert werden und müssen massive Einschränkungen erfahren.

Diakonisches Werk (zu den Webseiten des Diakonischen Werkes)

  • Die aktuellen Kürzungen treffen das Diakonische Werk ebenso hart wie die teilweise Nichtanpassung der Zuschüsse an die tariflichen Steigerungen (mangelnde Dynamisierung).
  • Kürzungen in der Suchthilfe: Hier ist noch nicht erkennbar, welche Zuschüsse reduziert werden sollen. Sollten nur Projektfinanzierungen gekürzt werden, wäre die Mülheimer Diakonie nicht direkt betroffen. Möglicherweise fängt sie aber Klient*innen auf, die anderswo aufgrund der Kürzungen weniger Begleitung erhalten
  • Kürzungen im Kommunalen Integrationsmanagement: Hier können Stellen bei der Kommune oder bei freien Trägern betroffen sein.
  • Schwangerschaftsberatung für Geflüchtete: Hier werden Projektfinanzierungen gekürzt. Das betrifft die Mülheimer Diakonie nicht direkt, aber mittelbar, weil auch hier Bedarfe von Klient*innen aufgefangen werden, die vorher anderweitig begleitet wurden.
  • Hinzu kommen Entwicklungen im Bereich der Offenen Ganztagsschule, die nicht im aktuellen Sparpaket enthalten sind, aber eine faktische Kürzung bedeuten: Die Tarifsteigerungen für pädagogisch Mitarbeitende lagen in diesem Jahr bei durchschnittlich 11,9 Prozent. Das Land dynamisiert die Erstattung aber nur mit 3 Prozent jährlich. Für die kommenden Tarifverhandlungen werden weitere 8 Prozent Steigerung gefordert. So erlebt das Diakonische Werk auch ohne Sparpläne beim weiteren Ausbau der OGS in Mülheim im Haushaltsansatz eine faktische Kürzung, da die Landesmittel nicht ausreichend dynamisiert werden.

KiTas (zu den KiTas)

  • Die Kürzungen im Bereich der Beratungsstellen und Familienbildung betreffen Kitas und Familienzentren auf Grund der Kooperationen sehr konkret. Konnten in der Vergangenheit Erziehungsberatung oder andere unterstützende Angebote der Eltern- /Familienbildung in Familienzentren regelmäßig angeboten werden, muss nun das Angebot stark gekürzt werden.
  • Generell sehen sich die KiTas auch ohne die zusätzlich angekündigten Kürzungen nicht auskömmlich finanziert. Die Träger (für die evangelischen KiTas in Mülheim ist das überwiegend der KiTa-Verband an Emscher und Ruhr) müssen ausbleibende Dynamisierungen aus Rücklagen zwischenfinanzieren. Die refinanzierte Mindestpersonalstundenzahl ist zudem so berechnet, dass es zu Öffnungszeitenreduzierungen oder Notgruppen kommt, sobald nur wenige Krankheitsfälle eintreten. Möchte der Träger sein Personal so aufstocken, dass er Fehlzeiten auffangen kann, muss er das aus eigenen Mitteln decken. Dafür gibt es oft keine Rücklagen mehr.

Evangelische Beratungsstelle für Erziehungs-, Ehe- und Lebensfragen (zur Beratungsstelle)

  • Die Beratungsstelle ist in ihren Kooperationen mit Familienzentren von den Kürzungen betroffen.
  • Einrichtungsleiter Volker Rohse schildert einen generellen Eindruck aus der täglichen Arbeit mit Klient*innen: „Wir erleben, wie belastete Familien auf ein immer stärker belastetes soziales System treffen. Das kann auf Dauer nicht gut gehen“

Flüchtlingsreferat (zum Flüchtlingsreferat)

Im Flüchtlingsreferat des Evangelischen Kirchenkreises An der Ruhr gibt es zwei Berater*innenstellen, die von den Einsparungen betroffen sein können. Über die exakten Auswirkungen der Sparpläne liegen noch keine Informationen vor.

Die Berater*innen mussten sich schon arbeitssuchend melden. Künftig sollen die Stellen in der regionalen Beratung für Geflüchtete nur noch für ein Jahr befristet finanziert werden. „Ein für die Fachkräfte und ihre Familien in hohem Maße unsicherer und wenig wertschätzender Zustand“, sagt Flüchtlingsreferentin Saskia Trittmann vom Kirchenkreis An der Ruhr.

Geplant ist auch das die Allgemeinen Verfahrensberatung für Erwachsene und die für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in den Landesunterkünften nicht mehr finanziert wird. Das bedeutet, dass auf die Fachkräfte an anderen Stellen ein deutlich größerer Beratungsbedarf zukommt. Flüchtlingsreferentin Trittmann: „Das heißt konkret: Weniger und nicht auskömmlich finanzierte Beratungsstellen werden immer mehr und immer frustriertere und perspektivlose Menschen beraten und auffangen müssen.“

Mehr zur Kampagne „#nrwbleibsozial“ der freien Wohlfahrtspflege NRW

  • 29.10.2024
  • Annika Lante
  • Red