Guten Morgen!
Beim Gang über den
Wochenmarkt zog es mich plötzlich sechs Schritte zurück. Was stand da auf dem
Schild? Hässliche deutsche Gurken, Handelsklasse II, 50 Cent. In der
Kiste sah ich Gurken aller Größen und Formen. Krumme und schiefe, kleine wie
große. Eine Salatgurke der Güteklasse I durfte sich aber auf zehn Zentimetern
Länge um nur maximal 10 Millimeter krümmen – so beschied es einst die
Gurkenkrümmungsverordnung der EU. Seit 2009 gibt es diese Verordnung nicht
mehr. Aber Salatgurken sehen bis heute trotzdem so aus, wie das damals
vorgeschrieben war. Dabei gleicht keine Gurke der anderen, weder in Deutschland
noch anderswo. Und wie die Gurken, so auch Tomaten, Äpfel, Birnen oder Rüben –
höchst unterschiedlich kommen sie daher, in Aussehen wie Geschmack. Ja,
vielgestaltig ist Gottes Schöpfung, in Formen, Farben, Düften, Krümmungen und
vielem mehr.
Betrete ich einen
Supermarkt, so scheint sich die Schöpfungsvielfalt dort abzubilden. Überfülle
im Angebot. Komme ich dem Sortiment näher, springt mir eine Vielfalt ins Auge
an Schokoriegeln, Knabberchips oder Energy drinks. Aber: Von 20.000 Apfelsorten
finden sich dort vielleicht sechs, sieben. Bananen gibt’s oft nur eine Sorte.
Dafür türmen sich Fertiggerichte aller Art. Geschmacklich eher ein
Einheitsbrei.
So gaukelt die Warenwelt
uns Schöpfungsvielfalt vor. 30.000 Maissorten gab es einmal weltweit. Ein paar
Dutzend werden davon noch angebaut. Zugleich sterben Bienen. Insekten
verschwinden aus der Natur. Und ohne Insekten hungern viele Vogelarten. Der
Gesang der Vögel ist arg dünn geworden. Lebensarten stehen auf der roten Liste,
immer mehr verabschieden sich auf Nimmerwiedersehen.
Die Warenwelt dagegen plustert
sich auf. Und doch siegt nur der Schein. In Wahrheit schwindet die Vielfalt.
Gleichförmiger werden unsere Innenstädte. Überall die gleichen Ketten, die das
Stadtbild dominieren. Gleichförmiger wird auch der ländliche Raum, überformt
von industrialisierter Landwirtschaft.
Das Glatte, Glänzende
ist das Merkmal unserer Zeit, zweifellos. Glatt erscheinen Fassaden,
Karosserien und Mannequins.
Das Lebendige, Hinreißende,
das Faszinierende des Lebens aber kommt nicht aus dem langweilig
Gleichförmigen, sondern aus dem Geheimnisvollen, dem Vielschichtigen,
Tiefgründigen. Und das ist nicht glatt und makellos, sondern vielfältig,
mehrdeutig, auch schief und krumm wie alles Leben, wie Du und ich, ist so schön
hässlich wie kleine und krumme Gurken. Das Lebendige ist so geheimnisvoll wie
Gott selber, der Schöpfer allen Lebens.
Einen gesegneten Sonntag wünsche ich Ihnen.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/57047_SK20220116Buss.mp3