Loslassen

Kirche in WDR3 | 13.01.2022 | 00:00 Uhr

Guten Morgen.

grüne Almen, friedlich grasende Kühe, graue Bergzacken,

blauer Himmel – eine phantastische Kulisse. Er genießt seine Bergwanderung.

Schließlich gelangt er an einen Berggrat. Dahinter geht es steil in die Tiefe.

Neugierig und mit Herzklopfen schaut er über den Felsrand. Schnell wendet er

sich ab. Da lösen sich plötzlich kleine Steine am Rand und er fällt voller

Entsetzen in die Tiefe. Noch im Fallen schreit er angstvoll: „Oh Gott, rette

mich!“ Und tatsächlich, er kann gerade noch einen Ast ergreifen und sich daran

festhalten. Da hört er unmittelbar neben sich eine Stimme: „Ich bin doch da!“

„Oh Gott, das ist ja wunderbar, bitte rette mich“, erwidert er erfreut.

„Glaubst du denn, dass ich dich retten kann?“, fragt ihn Gott. „Ja, ich glaube

das. Aber bitte Gott, ich kann nicht mehr! Ich brauche jetzt wirklich deine

Hilfe!“, fleht der Mann. Doch Gott schweigt. Der Mann in Panik: „Gott, geh’

nicht weg, hilf mir doch. Du hast die Macht!“ Da antwortet Gott: „Glaubst du

wirklich, dass ich diese Macht habe?“ „Aber ja – du bist doch Gott!“ „Na gut“,

sagt Gott, „dann lass jetzt den Ast los!“

Ich weiß nicht, ob er immer noch da hängt und weiter mit Gott

ringt? Oder ob er sich im Vertrauen auf Gott fallen gelassen und Gott ihn

wundersam gerettet hat.

Was würde ich in dieser Situation tun? Vielleicht mit Gott

verhandeln nach dem Motto: „Gib mir wenigstens eine Hand zum Zugreifen.“ Oder

vielleicht mit Versprechungen: „Wenn du mich jetzt heraufhebst, werde ich mein

Leben völlig umkrempeln.“

Sicher haben viele von uns einen vermeintlichen Rettungsast in

ihrem Leben, an dem sie sich festhalten. Sie denken, dass nur dieser eine „Ast“

sie im Leben durchtragen kann. Auch wenn sie da noch so unbequem hängen. Es

fehlt der Blick für einen ganz anderen Weg. Doch nur wenn wir Altes loslassen,

haben wir die Hände frei, um Neues von Gott zu empfangen. Er fängt uns auf oder

zeigt uns einen Weg, den wir noch gar nicht erkennen konnten. Vielleicht ist

der Ast an dem ich hänge, ja schon knapp über dem Boden. Es geht darum, das

loszulassen, was mir nicht mehr guttut. Nicht mehr festzuhalten an einem

Streit, der zwar vorbei ist, den wir jedoch immer wieder auftischen, weil wir

so gekränkt worden sind. Mir fällt es schwer, mich von geliebten und vertrauten

Menschen zu verabschieden. Da ist die Angst, mit dem Loslassen den Boden unter

meinen Füßen zu verlieren. Doch ich erlebe auch: Es ist hilfreich beim

Loslassen, mich erneut einzulassen: Auf neue Lebenswege. Auf eine neue

Umgebung. Auf andere Menschen. Auf neue spannende Herausforderungen. Ich vertraue

fest darauf, dass Gott mir auch dann ganz nahe ist und mich begleitet, wenn es

anders kommt, als ich dachte. Dass er mir die Kraft zum Loslassen schenkt. Er

macht mir Mut, mich immer wieder auf Neues einzulassen, auch wenn ich den Weg

noch nicht kenne und mich deshalb haltlos fühle. Ja, ich vertraue darauf, nie

alleine zu neuen Ufern aufzubrechen. Gott lässt sich auf ein neues Kapitel

meiner Lebensgeschichte ein. Und er geht mit mir in jede neue Zeit.

Solches Gottvertrauen wünscht auch Ihnen Prädikant Werner

Brück aus Remscheid.

Quelle:nach

https://www.newslichter.de/2017/08/gute-geschichte-loslassen (abgerufen am

21.10.2021)

Redaktion: Landespfarrerin

Petra Schulze

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/57048_WDR3520220113Brueck.mp3

  • 13.1.2022
  • Werner Brück
  • © CCO Pixabay
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