Gasumlage: Moratorium für Energieschulden gefordert

Mit Blick auf Energiekosten und Gasumlage knüpfen die AG Wohlfahrtspflege und die Verbraucherberatung in Mülheim ein enges Hilfenetz. Ihre gemeinsame Forderung: Ein Moratorium für Energieschulden, besser noch: von Strom- und Gassperren abzusehen.

Mit großer Sorge blicken die Mitglieder der Mülheimer Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände (AGW) auf den Herbst und Winter. Gestiegene Lebenshaltungs- und vor allem Energiekosten inklusive der Gasumlage werden eine Reihe Mülheimer*innen an ihre finanziellen Grenzen und darüber hinaus bringen. Gemeinsam mit der lokalen Verbraucherzentrale entwickeln die Geschäftsführenden von AWO, Caritas, Deutschem Roten Kreuz, Diakonie , Jüdischer Gemeinde und Paritätischem bereits jetzt Konzepte, um zu verhindern, dass Menschen in kalten, dunklen Wohnungen sitzen müssen. Im Zentrum dessen steht noch mehr Kooperation, um ein Informations- und Hilfenetz zu knüpfen, durch das niemand fallen muss.

Birgit Hirsch-Palepu

2,419 Cent pro Kilowattstunde – so viel werden Verbraucher*innen für die Gasumlage zur Unterstützung systemrelevanter Importeure zusätzlich zahlen müssen. Bei 20.000 Kilowattstunden summiert sich das auf über 480 Euro, plus Mehrwertsteuer kommen so über 570 Euro zusammen. „Die Gasumlage kommt zu den seit Monaten steigenden Kosten und Preisen hinzu. Dabei wissen wir aus unserer alltäglichen Beratungsarbeit, wie viele Menschen jetzt bereits am Minimum sind“, erläutert Birgit Hirsch-Palepu, die als Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes im Evangelischen Kirchenkreis An der Ruhr in diesem Jahr den Vorsitz der Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände hat.

Die Mitglieder der AGW und die Verbraucherzentrale Mülheim fürchten deshalb ab Herbst einen massiven Anstieg von Strom- und Gassperren und damit einhergehend einen enormen Beratungsbedarf. „Wir wissen, dass Energieversorger teils sehr schnell damit sind, Strom und Gas abzustellen“, sagt Christiane Lersch, Leiterin der Mülheimer Verbraucherzentrale. Michaela Rosenbaum, Geschäftsführerin der AWO, erwartet deshalb einen „sprunghaft ansteigenden Beratungsbedarf“ von Ratsuchenden. „Und ich mache mir große Sorgen, dass unsere vorhandenen Beratungs-Kapazitäten auf diese Dimensionen nicht ausgelegt sind.“ Neben den Anfragen bei der Verbraucherzentrale seien da die Schuldnerberatung der AWO, die Wohnungsnotfallhilfen von Caritas und Diakonie beispielhaft als wichtige Anlaufstellen genannt, aber auch in anderen Arbeitsbereichen kommen diese Sorgen an. „Deshalb ist es unerlässlich, dass wir unsere Mitarbeitenden schulen und auf diese Fragen, die vermehrt auf sie zukommen werden, vorbereiten“, betonen Martina Pattberg und Regine Arntz als Vorstand der Caritas Mülheim. Dies ist in einem ersten Schritt in Kooperation mit der Mülheimer Verbraucherzentrale geplant.

Zudem soll die Vernetzung zwischen Verbraucherzentrale und den Wohlfahrtsverbänden verbessert werden. „Natürlich vermitteln wir Ratsuchende schon jetzt an andere Einrichtungen, aber es ist auch wichtig zu wissen: Welche Unterlagen brauchen die anderen. Was müssen die Klient*innen mitbringen, damit die Beratung naht- und problemlos weitergehen oder beginnen kann“, erläutert Mauno Gerritzen, der als Geschäftsführer Des Paritätischen rund 40 Organisationen, Einrichtungen und Dienste vertritt. Auch Nina Rasche, Geschäftsführerin des DRK, und Alexander Drehmann, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Mülheim/Duisburg/Oberhausen, sehen in diesem intensiveren Informationsaustausch einen Gewinn für die von ihnen betreuten Menschen.

„Uns als AGW ist es wichtig, uns frühzeitig mit diesem Thema zu beschäftigen. Denn wir müssen uns schon jetzt vorbereiten, um bestmöglich durch die absehbar schweren Herbst- und Wintermonate zu kommen. Für diese gesamtgesellschaftliche Gemeinschaftsaufgabe stehen wir gerne als Partner*innen zur Verfügung“, appelliert Brigit Hirsch-Palepu an Vertreter*innen von Stadt, Verwaltung und Politik. Aus Sicht der AGW muss ein gemeinsames Bündnis mit der Kommune und weiteren Akteur*innen der Stadtgesellschaft, wie etwa Energieversorgern, geschlossen werden, um möglichst alle Mülheimer*innen im Leistungsbezug frühzeitig zu erreichen und unterstützen zu können.

Christiane Lersch hat als Leiterin der Mülheimer Verbraucherzentrale zudem eine klare Forderung, um soziale Härten schon jetzt abzufedern: „Wir brauchen ein Moratorium für Energieschulden. Auf Strom- und Gassperren während der aktuellen Krise zu verzichten, ist unerlässlich.“ Die AGW schließt sich dem an und fordert zudem ein grundsätzliches Umdenken beim Umgang mit versäumten Strom- und Gasraten: „Strom- und Gassperren darf es nicht geben. Diese gehören abgeschafft.“

 

Die Freie Wohlfahrtspflege in NRW

In der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW haben sich die Arbeiterwohlfahrt, die Caritas, der Paritätische, das Deutsche Rote Kreuz, die Diakonie und die Jüdischen Gemeinden mit ihren 16 Spitzenverbänden zusammengeschlossen. Die Freie Wohlfahrtspflege NRW weist auf soziale Missstände hin, initiiert neue soziale Dienste und wirkt an der Sozialgesetzgebung mit. Mit ihren Einrichtungen und Diensten bieten sie eine flächendeckende Infrastruktur der Unterstützung für alle, vor allem aber für benachteiligte und hilfebedürftige Menschen an. Ziel der Arbeit der Freien Wohlfahrtspflege NRW ist die Weiterentwicklung der sozialen Arbeit in Nordrhein-Westfalen und die Sicherung bestehender Angebote.
Mehr: www.freiewohlfahrtspflege-nrw.de

  • 18.8.2022
  • Julia Blättgen
  • Red