AfD: Zu Unrecht als Populisten verharmlost

Mit deutlichen Worten warnte Dr. Hendrik Cremer, Autor und Jurist beim deutschen Institut für Menschenrechte, bei der Veranstaltung im Mülheimer Haus der Kirche davor, die AfD zu verharmlosen. Björn Höckes Kurs ziele auf „Abschaffung der Demokratie und auf Willkürherrschaft“ und rufe zur Gewalt auf – damit stehe er für eine breite Strömung innerhalb der Partei.

„Je länger wir schweigen, desto mehr Mut werden wir brauchen – Wie gefährlich die AfD wirklich ist“, heißt der aktuelle Sachbuchtitel von Hendrik Cremer. Zur Buchvorstellung mit dem Autoren hatten der Kirchenkreis An der Ruhr und die Buchhandlung Hilberath und Lange gemeinsam eingeladen. In seinem Buch analysiert Cremer das Parteiprogramm ebenso wie aktuelle Äußerungen der AfD.

Seit ihrer Gründung 2013 habe sich die AfD kontinuierlich radikalisiert, führte Jurist Cremer vor dem mit über 120 Gästen gut besuchten Plenum im Haus der Evangelischen Kirche aus. „Sie ist eine offen rechtsextreme Partei, die sich an den Zielen und Methoden des Nationalsozialismus orientiert“. Rechtsextremistische und rassistische Positionen seien schon in Schriften von 2015 und 2020 zum Ausdruck gekommen. „Es werden Menschen in ihrer Wertigkeit unterschieden, eine homogene Volksgemeinschaft wird angestrebt, so wie auch im Nationalsozialismus“. Belege dafür liefert der Autor in seinem Buch ebenso wie vor dem Mülheimer Publikum: „Schon in einem Gesprächsband von 2018 hat Höcke ein groß angelegtes Remigrationsprojekt entworfen, dass Millionen von Menschen betreffen soll.“ Höcke habe auch verdeutlicht, dass diejenigen, die dabei nicht mitmachten, mit tödlicher Gewalt zu rechnen hätten. Dabei stehe er nicht für eine singuläre Position in der Partei, sondern werde zum Beispiel von der Parteivorsitzenden Weidel auf großer Bühne im Wahlkampf unterstützt. Gemäßigtere AfD-Spitzenkräfte haben in den vergangenen Jahren die Partei verlassen „Gegen Höcke gibt es keine interne Opposition mehr“, so Cremer. Auch der frühere AfD-EU-Parlamentarier und Ex-BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel bereue inzwischen öffentlich „solch ein Monster“ (die Partei) mit erschaffen zu haben.

Superintendent Michael Manz führte im Gespräch durch den Abend mit Dr. Hendrik Cremer

Auch auf die Rolle der Medien warf Hendrik Cremer einen kritischen Blick. „In ihren Auftritten in TV-Talkshows bagatellisieren die Vertreter der AfD sich selbst und sie werden auch bagatellisiert. Ich halte es für grundfalsch, ihnen dort eine Bühne zu bereiten. Die Grundlage für solche TV-Formate sollte der demokratische Diskurs sein. Die Besetzung solcher Runden mit AfD-Vertretern erweckt den Eindruck, sie seien Teil davon. Der kategoriale Unterschied zu anderen Parteien besteht jedoch darin, dass die AfD darauf abzielt, die freiheitlich-demokratische Grundordnung abzuschaffen.“

Die Frage nach einem Parteiverbot liegt aus Cremers Sicht nahe: „Die Zurückhaltung der Politik in diesem Punkt mag an den großen Zustimmungswerten liegen, ich kann sie aber nicht teilen. Aus meiner Sicht liegen die Voraussetzungen für ein Parteienverbot nach Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts vor. Bundestag, -rat und -regierung sollten das gemeinsam vorantreiben.“ Die Sorge, dass sich die Partei nach einem rechtlichen Vorgehen gegen sie oder sogar einem Verbot umso mehr als Opfer inszenieren könnte, ließ Cremer nicht gelten: „Deswegen muss im öffentlichen Diskurs umso deutlicher über die Ziele und über die Gewaltbereitschaft der AfD gesprochen werden, damit sie keine Grundlage dafür hat, sich als Opfer zu inszenieren.“

Doch die Politik allein werde es nicht richten. „Es ist gut und richtig, dass sich die Kirchen sehr deutlich gegen die AfD positionieren“, sagte Cremer mit Blick auf das jüngste Papier der Katholischen Bischofskonferenz und auf Diakoniepräsident Schuch, der deutlich gemacht hatte, dass er ein Engagement für Diakonie und AfD zugleich für nicht vereinbar hält. Cremer: „Auch der Staat sollte sich in Bezug auf Richterinnen, Soldaten und Beamte die Frage stellen, ob das Eintreten dieser Gruppen für die freiheitlich-demokratische Grundordnung mit einem Engagement für die AfD vereinbar ist.“ Mit spontanem Applaus quittierte das Mülheimer Publikum die Einschätzung „Der Staat muss sich selber hier ernst nehmen, sonst wird er von innen ausgehöhlt.“

Um der AfD etwas entgegenzusetzen brauche es „mehr Personen des öffentlichen Lebens, die das tun. Das gilt auch und gerade auf lokaler Ebene“, so Cremer. Die wachsenden Zustimmungswerte, die die Partei einfährt, sieht der Autor und Jurist mit Sorge. Vor der Hoffnung, die Partei zerlege sich schon selbst, könne er nur warnen. „Es hat im historischen Rückblick schon einmal eine Partei gegeben, die ganz legal die Macht übernommen hat. Die Machtübernahme geschieht charakteristischerweise schleichend.“ Umso wichtiger seien Aufklärung und Bildungsarbeit. Auch die Zivilgesellschaft sieht Cremer gefordert. „Alle demokratischen Kräfte müssen sich zusammentun. Es ist wichtig, dass es lokale zivilgesellschaftliche Bündnisse gibt und dass die sich bemerkbar machen.“

Gefragt, ob er angesichts der benannten großen Aufgaben Hoffnung habe, ist Cremers Antwort ebenso deutlich: „Ja, klar, denn es liegt ja an uns. Da ist eine selbstbewusste Auseinandersetzung gefragt. Ohne die wird es nicht gehen, aber sie ist ja auch möglich.“

 

Unser Kreuz hat keine Haken

Der Mülheimer Veranstaltungsabend mit Dr. Hendrik Cremer war sowohl Teil des Saarner Bücherfrühlings als auch der Reihe „Unser Kreuz hat keine Haken“, unter diesem Motto positioniert sich die Evangelische Kirche in Mülheim vor den Europawahlen (9. Juni 2024) gegen Rechtspopulismus und Rechtextremismus.

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe des Kirchenkreises An der Ruhr loten Referenten aus, welche Konfliktlinien sich in der Gesellschaft angesichts der erstarkenden rechtsnationalen Tendenzen abzeichnen, aber auch welche Potenziale für gelingendes Zusammenleben es gibt. Der Eintritt ist frei. Dazu präsentiert die Buchhandlung Hilberath und Lange jeweils einen Büchertisch.

Die weiteren Termine:

 

 

 

  • 29.5.2024
  • Annika Lante
  • Red