Weggeschaut, mitgemacht, versagt - Pogromgedenken in Mülheim

Gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern der Realschule Mellinghofer Straße und der Max-Kölges-Schule gedachten Vertreterinnen und Vertreter der Stadt Mülheim, der jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim-Oberhausen, der politischen Parteien und der christlichen Kirchen in der Stadt der nationalsozialistischen Pogrome am 9. November 1938. Zur Gedenkveranstaltung auf dem Mülheimer Synagogenplatz hatte die Stadt Mülheim eingeladen. „Auch unsere Gemeindemitglieder haben damals weggeschaut, mitgemacht, versagt“, verdeutlichte Superintendent Gerald Hillebrand die Schuld der handelnden Personen und wies auf die daraus bis heute resultierende Verantwortung hin.

Oberbürgermeister Marc Buchholz griff die Botschaft der in Mülheim zahlreich verlegten Stolpersteine auf, mit der sich die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler in einer Arbeitsgemeinschaft und im Unterricht beschäftigt hatten. „Die verlegten Stolpersteine stehen für 173 Schicksale, die das Versagen unserer Stadtgesellschaft belegen. Das Unfassbare darf nicht mehr passieren, diesem Anspruch wollen wir mit unserem Gedenken wieder gerecht werden.“

Superintendent Gerald Hillebrand, der stellvertretend für die christlichen Kirchen sprach, wies auf die Schulderklärung des Rates der Evangelischen Kirchen von 1945 hin. Dort heißt es: Wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben. „Auch Vertreter christlicher Gemeinden waren an den Ausschreitungen beteiligt. Dieses Versagen wird in der Stuttgarter Erklärung nicht erwähnt“, sagte Superintendent Hillebrand. „Wir haben lange gebraucht, um unsere Schuld zu bekennen und um danach das jüdische Leben besser zu verstehen. Wir haben neue Formen des Miteinanders entwickelt. Aus all dem erwächst die Einsicht, dass sich so etwas nicht wiederholen darf.“

Auch auf aktuelle Gefahren politischer Manipulation und Hetze wies Superintendent Hillebrand hin. „Gerade in aktuellen Krisenzeiten empfinden viele Menschen Angst. Da wird allzu leicht ein Sündenbock gesucht, dem man alles in die Schuhe schieben kann. Wir als christliche Kirchen werden alles tun, um böse Entwicklungen zu bekämpfen, gemeinsam mit der Stadtgesellschaft.“

Mit ihrer Arbeit zum Thema Stolpersteine präsentierten die Schülerinnen und Schüler ihren Beitrag zur Erinnerungskultur und machten deutlich, dass sie bereit sind, aktuell Verantwortung zu übernehmen. Das Resümee einer beteiligten Schülerin: „Das Nicht-Wissen-Wollen hat den Nationalsozialismus erst möglich gemacht. Die besten Mittel gegen solche Entwicklungen sind neben Wissen Toleranz und Offenheit.“

  • 9.11.2022
  • Annika Lante
  • Red